Lange
schon hatte Bernd den Wunsch den Osten Europas kennen zu lernen und
sich danach auf den Spuren der Seidenstraße zu bewegen. Ein wenig
Überzeugungsarbeit kostete es ihn schon mich auch zu begeistern und
jetzt endlich am 17.04.2012 steigen wir wieder ins WoMo und machen
uns auf den Weg. In knapp vier Wochen müssen wir in Riga/Lettland
sein um dort auf unsere Reisegruppe zu treffen. Vorher wollen wir
noch ein wenig auf eigene Faust das Baltikum erkunden. Für uns ist
diesmal der Weg das Ziel und so fahren wir zunächst nach Karlsruhe
und Oberdertingen um uns von unseren Verwandten zu verabschieden,
denn wenn alles gut geht werden wir die nächsten 8 Monate auf Reisen
sein. Bamberg ist lediglich eine Übernachtungsstation am Wege und
kurz hinter Hof passieren wir die ehemalige
Demarkationslinie. Nur noch eine Gedenktafel erinnert an die
damalige deutsch/deutsche Grenze und für die jungen Leute ist das ja
bereits Geschichte. Uns wird jetzt erst so recht bewusst, dass es
schon 22 Jahre her ist das nicht nur Deutschland sondern auch
Osteuropa von Resteuropa getrennt war und wir also genau so lange
gebraucht haben um einmal den Osten zu bereisen. Es wird also
allerhöchste Zeit dafür.
Zunächst
aber besuchen wir noch unsere Freunde Bianca und Jürgen in
Hohenstein-Ernstthal, die wir wegen unserer vielen Reisen schon lange
nicht mehr gesehen haben. Wir kennen uns einige Jahre und haben uns
viel zu erzählen. Leider bei mir etwas getrübt durch Zahnschmerzen
und so fängt unsere Reise schon nach wenigen Tagen mit dem Ziehen
einer Zahnwurzel an. Das soll aber bitte nicht so weiter gehen, zumal
das alles nur provisorisch gemacht werden konnte. Zu viele
Behandlungen wären erforderlich und alles in allem würde sich das
einen Monat hinziehen. Also haltet mir mal die Daumen das die
provisorische Füllung die Reise überdauert. Gut auch das Jürgen
ausgerechnet heute seine Zeit einteilen kann und den Fahrdienst
übernimmt. Zur Aufmunterung fahren wir Drei (Bianca muss arbeiten)
dann noch nach Dresden. Zwar kennen wir die Stadt ja schon vor
und nach der Wende, doch sie hat sich weiter zu ihrem Vorteil
verändert und die Altstadt ist zu einem richtigen Schmuckkästchen
geworden. Ganz besonders interessiert uns natürlich die
Frauenkirche, die wir nur als Ruine kennen. Erbaut im 11.
Jahrhundert, am 15.02.1945 nach der Bombardierung der Stadt
ausgebrannt und eingestürzt, 1993 entrümpelt, 1994 Beginn des
Wiederaufbaus, am 30.10.2005 wurde sie eingeweiht und nun können
wir sie in alter Schönheit bewundern. Jedoch besteigen wir zunächst
einmal die Kuppel, von der wir eine grandiose Aussicht über Dresden
haben. Hier sehen wir im Vordergrund die Hochschule für
bildende Künste, die Carolabrücke über die Elbe
mit Blick auf das Finanz- und Kulturministerium. Ganz in der
Ferne, noch hinter der Albertbrücke können wir die
Waldschlößchenbrücke erahnen, die Dresden seinen Status als UNESCO
Welterbe gekostet hat.
Da
sich vor der Frauenkirche noch immer die Massen drängeln, machen wir
zunächst mit dem Stadtrundgang weiter. Jürgen zeigt uns das
Restaurant im Pulverturm, wo sich ganze Schweine (Sattelschwein,
Kreuzung zwischen Haus- und Wildschwein) auf dem Rost drehen und uns
das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Gut dass sie erst zum
Abendessen fertig sind, sonst wäre unsere Runde sicher hier schon
beendet.
Endlich
können wir die Frauenkirche nicht nur von Außen
sondern
auch von Innen besichtigen.
Blick
von der Galerie auf das wohl berühmteste Barockbauwerk
Dresdens dem Zwinger.
Nun
fahren wir in die Neustadt um im schönsten Milchladen der Welt (laut
Guinnesbuch der Rekorde), der Pfund Molkerei eine Pause
einzulegen. Der 1891 erbaute Laden ist tatsächlich wunderbar und
von der Erde bis zur Decke mit erst 1995 liebevoll restaurierten
alten Kacheln ausgestattet. Dementsprechend ist er ein
Touristenmagnet. Leider darf im Inneren nicht fotografiert werden
und es wird auch streng darauf geachtet. Bleibt also nichts weiter
übrig, als euch selbst einmal dort umzusehen.
Da
wir am Morgen noch viel zu quatschen haben starten wir erst gegen
Mittag. Zwar sind die Nächte noch recht kalt, aber am Tag strahlt
die Sonne nur so vom Himmel, sodass wir schon die erste
Programmänderung vornehmen. Wollten wir doch ursprünglich nach
Potsdam fahren, entschließen uns jetzt aber kurzfristig für den uns
noch vollkommen unbekannten Spreewald. Was für eine schöne
Gegend! Die kleinen Städte haben viel alte Bausubstanz und auch oft
noch Stadtmauern. Hier der sogenannte Hausmannsturm in Luckau.
Die
restaurierten barocken Bürgerhäuser am Markt sind die
reinste Freude.
In
Lübbenau müssen wir zuerst die berühmten Spreewaldgurken
probieren,
bevor
wir uns zum Rundgang aufmachen. Schöne alte Häuser und gepflasterte
Gassen warten nur darauf entdeckt zu werden und natürlich gibt es
ein Schloss, dass jetzt zu einem Hotel umgebaut wurde.
Wir
suchen und finden einen WoMo Stellplatz auf einem Privatgrundstück.
Überhaupt können wir feststellen, dass die Menschen hier die
Zeichen der Zeit erkannt haben. Überall sehen wir Hinweise auf
Stellplätze, oft nur für ganz wenige Mobile, aber immer voll
ausgestattet. Da sollte sich so mache Gegend mal ein Beispiel daran
nehmen. Tagelang könnte man sich hier aufhalten. Es gibt viele
Fahrradwege und vor allem natürlich endlose Wasserwege. Die man mit
Fährmann oder auf eigene Faust erkunden kann. Also der Spreewald
alleine wäre durchaus einen Aufenthalt wert, für uns kann er im
Moment leider nur Durchgangsstation sein. Wir beschließen bereits
jetzt mit Fahrrad und für länger wieder zu kommen. Das
Freilandmuseum Lehde besuchen wir aber schon heute. Als erstes
sehen wir ein Storchennest und tatsächlich ist es auch
bewohnt. Überhaupt gibt es noch viele Störche in der Umgebung und
so wird der Kindersegen hier wohl gesichert sein.
Alte
Holzhäuser sind Zeitzeugen des Lebens ihrer ehemaligen Bewohner. Wir
lernen viel über die harte Arbeit früherer Jahre, den Meerrettich-,
Gurken- und Leinanbau. Dies waren und sind immer noch die
Hauptanbaugemüse der Gegend. Wobei heute natürlich der Tourismus
eine immer größere Rolle spielt.
Ein
weiterer Abstecher führt uns nach Lübben. Dort ist die alte
Bausubstanz zum größten Teil nicht mehr vorhanden, einige wenige
Reste gibt es noch wie z. B. ein Stück Stadtmauer mit Turm.
Kanäle
sind hier wie überall im Spreewald mit Ausflugsboten zu befahren,
was sicherlich auch seinen Reiz hat.
Eberswalde
ist lediglich eine Übernachtungsstation für uns, doch immerhin gibt
es sogar zwei kostenlose Stellplätze für WoMo´s. Uns zieht es zur
Klosteranlage Chorin, die 1273 von Zisterziensermönchen
gegründet und bereit im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde,
danach diente sie lange Jahre als Steinbruch. Zwar ist sie immer
noch eine Ruine, doch Teile davon wurden bereits restauriert und es
wird anschaulich über die Geschichte des Klosters berichtet.
Wegen
der guten Akustik werden hier Konzerte bekannter Chöre und Musiker
aufgeführt. Außerdem liegt die Anlage in reizvoller Umgebung und
man kann schöne Spaziergänge unternehmen.
Auf
Straßen die mehr Waldwegen gleichen finden wir zurück auf die
Hauptverbindung nach Polen. Von einer
Grenze kann man heute nicht mehr sprechen. Wie überall in Resteuropa
zeugen lediglich Schilder davon wo Deutschland aufhört und Polen
anfängt. Auch Polen ist für uns nur Transitstrecke. Jedoch wollen
wir uns Szczecin (Stettin) und Gdańsk
(Danzig) auf die Schnelle noch ansehen. Wobei uns Szczecin/Stettin
auf dem falschen Fuß erwischt. Wir haben das Pech und kommen zur
Hauptverkehrszeit an. Stoßstange an Stoßstande quälen wir uns ins
Zentrum. Der Fahrstiel der Einheimischen ist zudem äußerst
aggressiv, die Beschilderung und Sprache für uns ungewohnt und
jede Straße die wir Richtung Hafen nehmen wollen aus irgendwelchen
Gründen gesperrt. Zudem schüttet es noch wie aus Kübeln und nach
einer ¾ Stunde stopp and go haben wir die Nase voll, nehmen die
nächstbeste Ausfahrt aus der Stadt und pfeifen auf eine
Besichtigung. Wir fahren noch bis es fast dunkel wird immer weiter
Richtung Danzig und übernachten dann an einem hübschen Restaurant
in Slawno.
Hier spricht man weder Deutsch noch Englisch und wir kein Polnisch.
Jedoch irgendwie kommt die Verständigung zustande und wir können
für ein Abendessen kostenlos auf dem eingezäunten Parkplatz stehen.
Was wollen wir noch mehr, zumal das Essen für uns beide gerade mal
14,-- Euro gekostet hat, da ist in Westeuropa so mancher Stellplatz
teurer. Gdańsk/Danzig
zeigt sich uns von seiner besten Seite. Problemlos kommen wir bis ins
Zentrum und finden sogar einen Parkplatz in direkter Nähe zur
Długa/Langgasse
und dem goldenen Tor.
Wie Dresden wurde auch Gdańsk
im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und wie Dresden wieder aufgebaut
und erstrahlt in seiner Altstadt in voller Pracht. Vielleicht muss
hier und da noch etwas nachgebessert werden, aber im großen und
ganzen waren wir restlos begeistert. Es macht sogar den besonderen
Charme der Stadt aus, dass es eben noch Ecken gibt die nicht so
perfekt sind. Die Długa
mit ihren herrlichen, teilweise bemalten Wohnhäusern, jedenfalls
ist voll in der Hand von Touristen aus aller Welt.
Wunderschön
kann man an der Promenade der Stara
Motlava/Alte Mottlau entlang
schlendern.
In
der Mariacka/Frauengasse
befindet sich Bernsteinladen an Bernsteinladen. Dabei übersieht man
fast die alten Wasserspeier und Hausfassaden.
In
der Ulica
Ducha/Heiligen-Geist-Gasse
sehen wir vorbei an Löwenskulpturen
die königliche Kapelle
und im Hintergrund die Marienkirche.
Die
ehemalige große Mühle.
Das
altstädtische Rathaus.
Katharinen
Kirche
Nach
über drei Stunden sind wir wieder auf der Promenade und werfen noch
einen letzten Blick auf das Krantor.
Stundenlang
könnten wir noch schauen und staunen. Fast jede Tür,
und
jedes Haus ist hier etwas Besonderes.
Wieder
und wieder faszinieren uns die vielen verschiedenen Formen der
Wasserspeier.
In
den wenigen Stunden unseres Aufenthaltes konnten wir Gdańsk
nicht gerecht werden. Sicherlich wäre ein Aufenthalt von mehreren
Tagen erforderlich um die Stadt in all ihrer Schönheit zu
erkunden. Uns muss es reichen, außerdem sind wir für heute fußlahm
und so verlassen wir die Stadt wieder durch das Goldene Tor. In
Olsztyn/Allenstein finden wir einen Campingplatz an einem
Hotel, wo außer uns nur noch ein WoMo aus Finnland steht, dessen
Insassen wir aber nicht zu Gesicht bekommen. Am nächsten Morgen
halten wir noch kurz an einem Denkmal an, ohne zunächst recht zu
wissen für was es steht. Dort treffen wir im übrigen die ersten
deutschen WoMo-Touristen seit wir in Polen unterwegs sind.
Wieder
einmal werden wir mit der jüngsten Geschichte konfrontiert und sind
heilfroh heute in einer friedlichen Zeit leben zu dürfen und hoffen
darauf das dies auch so bleibt.
Bald
darauf haben wir die Grenze (ohne Grenze) zur Lietuvos
Respublika (Republik
Litauen) passiert und somit das erste
Land unserer geplanten Baltikum-Rundreise erreicht. Im übrigen haben
wir schon gelernt, dass die Litauer, Letten und Esten nicht Balten
genannt werden wollen. Davon mehr im nächsten Blog.