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Sonntag, 25. Juni 2017

II. Über Olbia hin zu Sardiniens Ostküste und weiter bis Cagliari

Dank einer großzügigen Umgehungsstraße fahren wir einfach an der 60.000 Einwohner zählenden Hafenstadt Olbia vorbei und schon sind wir wieder auf der schmalen Küstenstraße. Unser Ziel ist das Capo Coda Cevallo mit herrlichen Ausblicken.
Das scheint sich mittlerweile herum gesprochen zu haben und anstelle der im WoMo Führer versprochenen freien Stellplätze ist das Gebiet mit Hotels und Feriendomizielen vollkommen zersiedelt. Mehrmals müssen wir auf engstem Raum wenden, da uns Ketten oder Höhenbegrenzungen an der Weiterfahrt hindern und wenn es einmal Parkraum gibt, ist dieser so unverschämt teuer, dass wir auch gleich auf einen Campingplatz fahren können.
Auf dem Campingplatz Selema in Santa Lucia finden wir endlich eine Bleibe, die allerdings im Laufe des Wochenendes auch immer beengter wird.
Wir wandern entlang des wunderbar weißen Sandstrandes
bis zum ehemals spanischen Wachturm.
Der Ortskern selber besteht nur aus wenigen Straßenzügen, an der Piazza findet eine Hochzeit statt und bald darauf sind wir wieder am Campingplatz angekommen.
Wir radeln die vier Kilometer in das lebhafte La Caletta mit Hafen, unendlichem Sandstrand, reichlich Restaurants, Eisdielen, Geschäften und natürlich dem unvermeidlichen Torre San Giovanni.
Nach weiteren 7 Kilometern erreichen wir Posada, mit seinem schon von weitem sichtbaren Burgberg, gelegen am gleichnamigen Fluss.
Der Ort ist allerliebst mit schmalen, steingepflasterten Gassen. Es wird hier so eng, dass wir sogar die Räder zurück lassen.
Natürlich steigen wir auch zur Ruine des Castello della Fava (Festung der Bohne) aus dem 12. Jahrhundert hinauf. Zu sehen gibt es nur noch die Ummauerung und
den Turm. Der kann bestiegen werden über eine steile Treppe, dann über eine Leiter und zum Schluss hindurch durch eine schmale Luke. Bernd kann sich das natürlich nicht entgehen lassen, mir reicht die Aussicht von der Wehrmauer.
Mit Katzenkacheln geschmückte Wände erfreuen das Auge des Betrachters.
Wir bleiben ein paar Tage in Santa Lucia und dann zieht es uns wieder in die Berge. Vorbei an Siniscola geht es steil und windungsreich in die Höhe und vom Aussichtspunkt Cantina di Santa Anna haben wir, einen leider etwas verhangenen Ausblick, zurück bis hin zum Meer.
An der geschlossenen Cantoniera Guzzorra machen wir eine Mittagsrast
mit Blick auf den 1.027 m hohen Monte Albo.
Wir besichtigen das Nuraghnen Dorf Serra Orrios mit Resten von Wohnhäusern und zweier Tempelanlagen.
Wenige Kilometer zurück finden wir auf Privatland die Tomba dei Giganti S`Ena e Tomes mit großer Portalstele
und gutem Einblick in das lange Steinkistengrab.
Auf dem Rückweg zum WoMo kreuzt ein Scarabaeus (Pillendreher) mit schwerer Last unseren Weg.
Wegen einer einsturzgefährdeten Brücke müssen wir einen großen Umweg Richtung Oliena fahren um zur Karstquelle Su Gologne zu gelangen. Dort ist mal wieder Eintritt fällig (gilt nur für uns und nicht für die kleine Echse).
Zwischen turmhohen Steilwänden entspringt hier de stärkste Quelle der Insel.
Wunderschön anzusehen ist der Auslaufteich in schillernden Farben. Im Winter bringt die Quelle 300 l Wasser pro Sekunde aus unendlicher Tiefe hervor. Bereits mehrere Taucher haben schon bei dem Versuch auf den Grund zu gelangen ihr Leben gelassen.
Wir bleiben bei angenehmer Temperatur über Nacht gleich hier auf dem Parkplatz stehen und später gesellt sich noch ein kleiner Camper zu uns.
Die Steilwand des Sopramonte.
Kurz hinter Oliena ist auf einmal die Straße ohne Hinweis auf eine Umleitung gesperrt. Jetzt ist guter Rat teuer, denn wie sollen wir jetzt in das Bergdorf Orgosolo kommen? Bernd setzt sich einfach über das Verbotsschild hinweg. Schlimmstenfalls stehen wir irgendwann wieder vor einer baufälligen Brücke und müssen dann eben umkehren. Es begegnet uns wirklich kein einziges Fahrzeug und so wird es uns doch etwas mulmig zu mute. Schon bald können wir erkennen, warum die Straße gesperrt ist. Sie ist auf vielen Kilometern übersät von Schlamm- und Geröllmassen. Es muss in letzter Zeit ein Unwetter gegeben haben (wann nur hat es hier geregnet?), selbst mehrere Brückengeländer sind total zerborsten. An einer Stelle kommen wir nur mit Mühe an einem Geröllhaufen vorbei.
So sind wir dann doch recht froh als wir endlich das berühmt, berüchtigte ehemalige Banditendorf Orgosolo erreichen. Heute verarbeitet es seine unrühmliche Geschichte mit großen Murales (Gemälden an den Hauswänden) und gibt sich friedlich und touristisch. Die Bilder erzählen unter anderem von der Unterdrückung Sardiniens durch Italien,
bezeichnen Altbundeskanzler Helmut Schmidt als Mitschuldigen an den Stammheim Selbstmorden
und nehmen die Ausbeutung und den Durst in Afrika aufs Korn.
Die Hauptstraße ist übersät von Bildgeschichten, aber auch mit Blumen geschmückt.
Selbst die kleinste Lücke bietet noch Platz für ein Blümchen.
Stundenlang laufen wir in dem Ort herum, bestaunen die Gemälde und probieren in einer kleinen Käserei alle Pecorino Sorten durch. Da ergeht es uns fast so wie das erschöpfte Pferd über dem Stein.
Auf dem weiteren Weg Richtung Süden kommen wir wieder mal an einer Nuraghne vorbei. Hier in Madau gibt es ein Gigantengrab ohne Stele, dafür aber eine Grabkorridor in besonderer Technik (Isodoma-Technik).
Wegen der für die Jahreszeit ungewöhnlichen Hitze ist schon vieles verdörrt. So freuen wir uns über alles Blühende am Wegesrand.
Blick auf den Monte Perda ´e Liana (Stein der Ebene), der zweithöchste Gipfel des Monte Tonneri Massivs.
In der Nähe von Villanova suchen wir nach einem Brunnen um unsere Wasservorräte aufzufüllen
und finden innerhalb des Freizeitgeländes rund um Kirche und Quelle Santa Barbara einen wunderbar schattigen Wald, der uns ein willkommenes und sehr einsames Plätzchen für die Nacht bietet.
Beim morgentlichen Rundgang auf dem Gelände entdecken wir die Schwarze Tollkirsche (Belladonna).
Wir kurven von 900 m Höhe hinab bis zum Meer und dann wieder auf 450 m hoch nach Baunei. Ständig begegnen uns auf der Strecke Motorradgruppen, wie im übrigen die ganze Zeit, wenn wir in den Bergen unterwegs waren. Sardinien scheint bei Motorradfahrern äußerst beliebt zu sein. In Baunei herrscht Verkehrschaos und die Zufahrt zur Höhe von Golgo ist für uns zu steil und zu schmal.
So suchen wir uns außerhalb der Stadt einen Parkplatz, holen die Räder hervor und versuchen auf diese Art unser Glück. Auf den nächsten 3 Kilometern überwinden wir 10% Steigung, nur um dann auf langer Strecke wieder bergab zu fahren bis wir zum Schluss bergauf auf ca. 500 m die Hochebene Su Golgo bezwungen haben.
Das verkarstete Kalksteinplateau weist tiefe Löcher und Spalten auf. Nach einem kurzen Spazierweg über bemooste Felsbrocken gelangen wir zur Voragine del Golgo Su sterru, einem Karstloch von 276 m Tiefe.
In den As Piscinas (Wassertümpeln) die hier sogar noch etwas Wasser führen, tummeln sich Schildkröten.
Auch einige Esel haben das Terrain für sich entdeckt. Besonders nett finden wir die Mutter mit ihrem Jungen.
Rings um uns herum nur Steineichen und Olivenbäume. Lediglich zwei von Cooperativen geführte Restaurants gibt es hier und in einem davon sitzen wir bei Wasser und Tee um uns für die Rückfahrt zu stärken. Mittlerweile ist es wieder richtig heiß geworden.
Immer wieder halten wir an um um Luft zu schöpfen und die Aussichten zu genießen. Hier der Blick hinweg über Baunei bis hin zur Küste.
Die Räder werden wieder verstaut, noch einmal geht es durch das chaotische Baunei, immer weiter den Berg hinab und schon bald sind wir an der Küste und stehen am Capo Bellavista vor den berühmten Porphyrfelsen von Arbatax.
Bernd wäre zu gerne mit dem vielgepriesenen Zug Trenino verde, der ab Abartax zu einer Tagesfahrt ins Hinterland startet, gefahren. Leider beginnt dessen Saison aber erst in 10 Tagen und so lange wollen wir nicht warten. So halten wir uns Richtung Tortoli. Wo am Wegesrand (wie sehr oft auf Sardinien) herrliche blühende Oleanderbüsche die Landschaft verschönern.
Bei der Zufahrt zum Lido Orri spielt uns unser Navi mal wieder einen Streich und wir landen auf schmalem Weg, der letztendlich fast vollkommen zugewuchert ist. Da hilft nur Rückzug, wenden und eine andere Zufahrt zum Campingplatz suchen.
Von unserem Stellplatz auf dem Camping Cigno Blanco unternehmen wir einige Radtouren in die nähere und weitere Umgebung. Eher zufällig entdecken wir die Nuraghne S´Orali´e su Monti. Auf dem diesmal zweigeteilten Gelände sehen wir etwas versteckt mal wieder einen Domus de janas (Feenwohnung)
sowie ein Gigantengrab ohne Stehle, dafür aber mit zwei Menhiren.
Kakteen prägen hier das Landschaftsbild.
Gemütlich radeln wir auf der Küstenstraße herum. Endlos lange, weiße Strände und traumhafte Landschaft so weit das Auge blickt.
Das vier Kilometer entfernte Tortoli ist ein nettes Städtchen, vor allem aber bietet es uns gute Einkaufsmöglichkeiten. Hier sehen wir Su logu de s´Iscultura, was eine Wetterfahne sein soll.
Wir kämpfen mit uns, ob wir nun nach Cagliari, der 160.000 Einwohner zählenden Hauptstadt Sardiniens fahren. Irgendwie kommen wir zu dem Ergebnis uns nicht davor drücken zu können, zumal es einen sicheren Stellplatz fußläufig zur Altstadt geben soll. Richtung Marina herrscht lebhafter Verkehr, doch die Straßen sind breit und ausnahmsweise einmal vollkommen problemlos zu befahren. Schon bald sehen wir die Kirche Santa Maria de Bonaria, hinter der sich etwas weiter auf der Höhe der Camper Cagliaria Park befindet.
Ein wahrlich hochtrabender Name für einen reinen Asphaltparkplatz ohne irgendwelchen Schatten. Vollgestopft mit Wohnmobilen, jedoch umzäunt, Tag und Nacht bewacht und es gibt sogar eine Ver- und Entsorgung hier. Wir haben jetzt die Wahl im WoMo (37°) zu schmelzen, oder uns gleich auf den Weg zur Stadtbesichtigung zu machen. Wir entscheiden uns für letzteres, zumal der Stellplatz wirklich ideal gelegen ist und wir vom aufmerksamen Wachpersonal mit Stadtplan und Infos ausgestattet werden. Schon nach 15 Minuten stehen wir an der Piazza San Cosimo vor der voraussichtlich ältesten Kirche des Mittelmeerraumes (5 Jhr.) der Basilica di San Saturno, die über der vermeintlichen Hinrichtungsstätte des Märtyrers Saturnus (5. Jhr. n. Chr.) errichtet wurde.
Eine breite Treppe aus Marmor, gekrönt von einem Triumphbogen führt hinauf zur Bastion di Saint Rémy, der ehemaligen spanischen Festung.
Wir gehen entlang der Via Manno mit ihren vielen teuren Geschäften und werfen einen Blick hinunter in das Stadtviertel Marina.
San Michele, die üppigste Barockkirche Sardinien dürfen wir nur von Außen bewundern, da sie verschlossen ist.
Über die Via Ospedale, gelangen wir an dem riesigen, aber leider großräumig abgesperrten und somit kaum einsehbaren Gelände des Amphitheaters vorbei zum Torre di S. Pancrazio, dem nördlichen Eingang des Castellos. Fasziniert schauen wir zu, wie sich der Linienbus im Schritttempo durch das schmale Tor zwängt.
Jetzt haben wir das Archäologische Museum erreicht, dessen Besuch ein absolutes Muss ist. Endlich sehen wir all die Figuren und Gegenstände die den Nuranghen entnommen wurden und können uns jetzt ein viel plastischeres Bild vom Leben der Bewohner machen. Hier die hochverehrte Muttergöttin.
Wir schlendern durch die schmalen Gassen des Burgviertels und wundern uns über die vielen Autos die hier geparkt sind. Allerdings sind es ausschließlich Kleinwagen. Die Häuser sind mal prächtig, mal renovierungsbedürftig und so gut wie alle bewohnt. Unvermutet weitet sich der Blick an der Piazza Palazzo hin zur Kathedrale Santa Maria, die flankiert wird vom früheren Rathaus, dem Palast des Erzbischofs und des ehemaligen Vizekönigs.
Schon stehen wir am Torre dell´Elefante (Elefantenturm) oberhalb der Piazza Yenne.
An den kleinen Elefanten aus Marmor wurden früher die Köpfe der Hingerichteten öffentlich zur Schau gestellt.
Viele Treppenstufen tiefer sind wir wieder im Hafenviertel angelangt. Entlang der breiten Alleenstraße Largo Carlo Felice erreichen wir die Via Roma von der wir den Palazzo Civico (ehemals Rathaus), einen Marmorbau im neugotischen Stil aus dem 19.Jhr. sehen. Derzeit wird die Fassade renoviert.
Vier Stunden sind wir nun unterwegs. Erschöpft gönnen wir uns auf der Via Roma ein Eis und schauen einem riesigen Flamingoschwarm nach, der über uns hinweg fliegt.
Jetzt noch vorbei an Santa Maria de Bonaria und wir haben den Stellplatz erreicht. Ursprünglich war unser Plan noch einen weiteren Tag in Cagliari zu verbringen, doch wir, unsere Knie, Füße und was sonst noch alles weh tun kann, sind der Meinung genug in der Stadt herum gelaufen zu sein und das Wesentliche haben wir ja auch gesehen. Ab Morgen werden wir den Rest der südlichen Küste in Angriff nehmen.