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Sonntag, 29. April 2012

Abenteuer Osten I - Der Weg ist das Ziel: Von Dresden über Gdańsk/Danzig nach Lietuvos Respublika/Republik Litauen -

Lange schon hatte Bernd den Wunsch den Osten Europas kennen zu lernen und sich danach auf den Spuren der Seidenstraße zu bewegen. Ein wenig Überzeugungsarbeit kostete es ihn schon mich auch zu begeistern und jetzt endlich am 17.04.2012 steigen wir wieder ins WoMo und machen uns auf den Weg. In knapp vier Wochen müssen wir in Riga/Lettland sein um dort auf unsere Reisegruppe zu treffen. Vorher wollen wir noch ein wenig auf eigene Faust das Baltikum erkunden. Für uns ist diesmal der Weg das Ziel und so fahren wir zunächst nach Karlsruhe und Oberdertingen um uns von unseren Verwandten zu verabschieden, denn wenn alles gut geht werden wir die nächsten 8 Monate auf Reisen sein. Bamberg ist lediglich eine Übernachtungsstation am Wege und kurz hinter Hof passieren wir die ehemalige Demarkationslinie. Nur noch eine Gedenktafel erinnert an die damalige deutsch/deutsche Grenze und für die jungen Leute ist das ja bereits Geschichte. Uns wird jetzt erst so recht bewusst, dass es schon 22 Jahre her ist das nicht nur Deutschland sondern auch Osteuropa von Resteuropa getrennt war und wir also genau so lange gebraucht haben um einmal den Osten zu bereisen. Es wird also allerhöchste Zeit dafür.

Zunächst aber besuchen wir noch unsere Freunde Bianca und Jürgen in Hohenstein-Ernstthal, die wir wegen unserer vielen Reisen schon lange nicht mehr gesehen haben. Wir kennen uns einige Jahre und haben uns viel zu erzählen. Leider bei mir etwas getrübt durch Zahnschmerzen und so fängt unsere Reise schon nach wenigen Tagen mit dem Ziehen einer Zahnwurzel an. Das soll aber bitte nicht so weiter gehen, zumal das alles nur provisorisch gemacht werden konnte. Zu viele Behandlungen wären erforderlich und alles in allem würde sich das einen Monat hinziehen. Also haltet mir mal die Daumen das die provisorische Füllung die Reise überdauert. Gut auch das Jürgen ausgerechnet heute seine Zeit einteilen kann und den Fahrdienst übernimmt. Zur Aufmunterung fahren wir Drei (Bianca muss arbeiten) dann noch nach Dresden. Zwar kennen wir die Stadt ja schon vor und nach der Wende, doch sie hat sich weiter zu ihrem Vorteil verändert und die Altstadt ist zu einem richtigen Schmuckkästchen geworden. Ganz besonders interessiert uns natürlich die Frauenkirche, die wir nur als Ruine kennen. Erbaut im 11. Jahrhundert, am 15.02.1945 nach der Bombardierung der Stadt ausgebrannt und eingestürzt, 1993 entrümpelt, 1994 Beginn des Wiederaufbaus, am 30.10.2005 wurde sie eingeweiht und nun können wir sie in alter Schönheit bewundern. Jedoch besteigen wir zunächst einmal die Kuppel, von der wir eine grandiose Aussicht über Dresden haben. Hier sehen wir im Vordergrund die Hochschule für bildende Künste, die Carolabrücke über die Elbe mit Blick auf das Finanz- und Kulturministerium. Ganz in der Ferne, noch hinter der Albertbrücke können wir die Waldschlößchenbrücke erahnen, die Dresden seinen Status als UNESCO Welterbe gekostet hat.

Da sich vor der Frauenkirche noch immer die Massen drängeln, machen wir zunächst mit dem Stadtrundgang weiter. Jürgen zeigt uns das Restaurant im Pulverturm, wo sich ganze Schweine (Sattelschwein, Kreuzung zwischen Haus- und Wildschwein) auf dem Rost drehen und uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Gut dass sie erst zum Abendessen fertig sind, sonst wäre unsere Runde sicher hier schon beendet.
Endlich können wir die Frauenkirche nicht nur von Außen

sondern auch von Innen besichtigen.
Blick von der Galerie auf das wohl berühmteste Barockbauwerk Dresdens dem Zwinger.

Nun fahren wir in die Neustadt um im schönsten Milchladen der Welt (laut Guinnesbuch der Rekorde), der Pfund Molkerei eine Pause einzulegen. Der 1891 erbaute Laden ist tatsächlich wunderbar und von der Erde bis zur Decke mit erst 1995 liebevoll restaurierten alten Kacheln ausgestattet. Dementsprechend ist er ein Touristenmagnet. Leider darf im Inneren nicht fotografiert werden und es wird auch streng darauf geachtet. Bleibt also nichts weiter übrig, als euch selbst einmal dort umzusehen.
Da wir am Morgen noch viel zu quatschen haben starten wir erst gegen Mittag. Zwar sind die Nächte noch recht kalt, aber am Tag strahlt die Sonne nur so vom Himmel, sodass wir schon die erste Programmänderung vornehmen. Wollten wir doch ursprünglich nach Potsdam fahren, entschließen uns jetzt aber kurzfristig für den uns noch vollkommen unbekannten Spreewald. Was für eine schöne Gegend! Die kleinen Städte haben viel alte Bausubstanz und auch oft noch Stadtmauern. Hier der sogenannte Hausmannsturm in Luckau.
Die restaurierten barocken Bürgerhäuser am Markt sind die reinste Freude.
In Lübbenau müssen wir zuerst die berühmten Spreewaldgurken probieren,

bevor wir uns zum Rundgang aufmachen. Schöne alte Häuser und gepflasterte Gassen warten nur darauf entdeckt zu werden und natürlich gibt es ein Schloss, dass jetzt zu einem Hotel umgebaut wurde.
Wir suchen und finden einen WoMo Stellplatz auf einem Privatgrundstück. Überhaupt können wir feststellen, dass die Menschen hier die Zeichen der Zeit erkannt haben. Überall sehen wir Hinweise auf Stellplätze, oft nur für ganz wenige Mobile, aber immer voll ausgestattet. Da sollte sich so mache Gegend mal ein Beispiel daran nehmen. Tagelang könnte man sich hier aufhalten. Es gibt viele Fahrradwege und vor allem natürlich endlose Wasserwege. Die man mit Fährmann oder auf eigene Faust erkunden kann. Also der Spreewald alleine wäre durchaus einen Aufenthalt wert, für uns kann er im Moment leider nur Durchgangsstation sein. Wir beschließen bereits jetzt mit Fahrrad und für länger wieder zu kommen. Das Freilandmuseum Lehde besuchen wir aber schon heute. Als erstes sehen wir ein Storchennest und tatsächlich ist es auch bewohnt. Überhaupt gibt es noch viele Störche in der Umgebung und so wird der Kindersegen hier wohl gesichert sein.
Alte Holzhäuser sind Zeitzeugen des Lebens ihrer ehemaligen Bewohner. Wir lernen viel über die harte Arbeit früherer Jahre, den Meerrettich-, Gurken- und Leinanbau. Dies waren und sind immer noch die Hauptanbaugemüse der Gegend. Wobei heute natürlich der Tourismus eine immer größere Rolle spielt.
Besonders schön sind die Trachten der Sorben bzw. Wenden, wie sich die Volksgruppe hier nennt.
Ein weiterer Abstecher führt uns nach Lübben. Dort ist die alte Bausubstanz zum größten Teil nicht mehr vorhanden, einige wenige Reste gibt es noch wie z. B. ein Stück Stadtmauer mit Turm.
Kanäle sind hier wie überall im Spreewald mit Ausflugsboten zu befahren, was sicherlich auch seinen Reiz hat.
Eberswalde ist lediglich eine Übernachtungsstation für uns, doch immerhin gibt es sogar zwei kostenlose Stellplätze für WoMo´s. Uns zieht es zur Klosteranlage Chorin, die 1273 von Zisterziensermönchen gegründet und bereit im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde, danach diente sie lange Jahre als Steinbruch. Zwar ist sie immer noch eine Ruine, doch Teile davon wurden bereits restauriert und es wird anschaulich über die Geschichte des Klosters berichtet.
Wegen der guten Akustik werden hier Konzerte bekannter Chöre und Musiker aufgeführt. Außerdem liegt die Anlage in reizvoller Umgebung und man kann schöne Spaziergänge unternehmen.
Auf Straßen die mehr Waldwegen gleichen finden wir zurück auf die Hauptverbindung nach Polen. Von einer Grenze kann man heute nicht mehr sprechen. Wie überall in Resteuropa zeugen lediglich Schilder davon wo Deutschland aufhört und Polen anfängt. Auch Polen ist für uns nur Transitstrecke. Jedoch wollen wir uns Szczecin (Stettin) und Gdańsk (Danzig) auf die Schnelle noch ansehen. Wobei uns Szczecin/Stettin auf dem falschen Fuß erwischt. Wir haben das Pech und kommen zur Hauptverkehrszeit an. Stoßstange an Stoßstande quälen wir uns ins Zentrum. Der Fahrstiel der Einheimischen ist zudem äußerst aggressiv, die Beschilderung und Sprache für uns ungewohnt und jede Straße die wir Richtung Hafen nehmen wollen aus irgendwelchen Gründen gesperrt. Zudem schüttet es noch wie aus Kübeln und nach einer ¾ Stunde stopp and go haben wir die Nase voll, nehmen die nächstbeste Ausfahrt aus der Stadt und pfeifen auf eine Besichtigung. Wir fahren noch bis es fast dunkel wird immer weiter Richtung Danzig und übernachten dann an einem hübschen Restaurant in Slawno. Hier spricht man weder Deutsch noch Englisch und wir kein Polnisch. Jedoch irgendwie kommt die Verständigung zustande und wir können für ein Abendessen kostenlos auf dem eingezäunten Parkplatz stehen. Was wollen wir noch mehr, zumal das Essen für uns beide gerade mal 14,-- Euro gekostet hat, da ist in Westeuropa so mancher Stellplatz teurer. Gdańsk/Danzig zeigt sich uns von seiner besten Seite. Problemlos kommen wir bis ins Zentrum und finden sogar einen Parkplatz in direkter Nähe zur Długa/Langgasse und dem goldenen Tor. Wie Dresden wurde auch Gdańsk im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und wie Dresden wieder aufgebaut und erstrahlt in seiner Altstadt in voller Pracht. Vielleicht muss hier und da noch etwas nachgebessert werden, aber im großen und ganzen waren wir restlos begeistert. Es macht sogar den besonderen Charme der Stadt aus, dass es eben noch Ecken gibt die nicht so perfekt sind. Die Długa mit ihren herrlichen, teilweise bemalten Wohnhäusern, jedenfalls ist voll in der Hand von Touristen aus aller Welt.
Wunderschön kann man an der Promenade der Stara Motlava/Alte Mottlau entlang schlendern.
In der Mariacka/Frauengasse befindet sich Bernsteinladen an Bernsteinladen. Dabei übersieht man fast die alten Wasserspeier und Hausfassaden.
In der Ulica Ducha/Heiligen-Geist-Gasse sehen wir vorbei an Löwenskulpturen die königliche Kapelle und im Hintergrund die Marienkirche.
Die ehemalige große Mühle.
Das altstädtische Rathaus.
Katharinen Kirche
Nach über drei Stunden sind wir wieder auf der Promenade und werfen noch einen letzten Blick auf das Krantor.
Stundenlang könnten wir noch schauen und staunen. Fast jede Tür,
und jedes Haus ist hier etwas Besonderes.
Wieder und wieder faszinieren uns die vielen verschiedenen Formen der Wasserspeier.
In den wenigen Stunden unseres Aufenthaltes konnten wir Gdańsk nicht gerecht werden. Sicherlich wäre ein Aufenthalt von mehreren Tagen erforderlich um die Stadt in all ihrer Schönheit zu erkunden. Uns muss es reichen, außerdem sind wir für heute fußlahm und so verlassen wir die Stadt wieder durch das Goldene Tor. In Olsztyn/Allenstein finden wir einen Campingplatz an einem Hotel, wo außer uns nur noch ein WoMo aus Finnland steht, dessen Insassen wir aber nicht zu Gesicht bekommen. Am nächsten Morgen halten wir noch kurz an einem Denkmal an, ohne zunächst recht zu wissen für was es steht. Dort treffen wir im übrigen die ersten deutschen WoMo-Touristen seit wir in Polen unterwegs sind.
Wieder einmal werden wir mit der jüngsten Geschichte konfrontiert und sind heilfroh heute in einer friedlichen Zeit leben zu dürfen und hoffen darauf das dies auch so bleibt.
Bald darauf haben wir die Grenze (ohne Grenze) zur Lietuvos Respublika (Republik Litauen) passiert und somit das erste Land unserer geplanten Baltikum-Rundreise erreicht. Im übrigen haben wir schon gelernt, dass die Litauer, Letten und Esten nicht Balten genannt werden wollen. Davon mehr im nächsten Blog.