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Freitag, 13. November 2009

Von Tiwanaku zum „schwindelerregenden “ La Paz

Bei unserer letzten Reise haben wir ja Bolivien wegen der angespannten politischen Lage ausgespart. Da sich die Gemüter zwischenzeitlich beruhigt haben, machten wir uns auf dem Weg nach Desaguadero, der Grenzstation zu Bolivien. Dort herrschte ungewohnter Andrang und wir mussten uns für die Personenausreise in praller Sonne in eine lange Schlange einreihen. Dafür waren wir dann aber mit Burro schneller durch. Bei der Personeneinreise nach Bolivien ging es zügig voran, bis auf die Tatsache, dass der Grenzer mir nur 30 Tage Aufenthalt geben wollte. Da bedurfte es schon einer längeren Debatte um die 90 Tage zu bekommen. Dafür hatte dann Bernd danach kein Problem mehr. Doch wie so oft, es kommt mal immer wieder was Neues. Sie hatten hier keine Zollstation für Fahrzeuge und wir mussten ein paar Kilometer weiter zur LKW Abfertigung. Da standen hunderte von LKW´s und warteten auf die Zollabfertigung. Uns verschlug es fast die Sprache. Zu unserem besonderen Glück gibt es zwischen Peru und Bolivien auch noch eine Stunde Zeitunterschied und deshalb waren wir in die Mittagspause geraten. Geschlagene zwei Stunden hat Bernd vor dem Abfertigungsgebäude gestanden, bis es endlich 15.00 Uhr war und die Herrschaften sich bequemten die LKW´s abzufertigen. Pünktlich um 14.45 Uhr setzte ein Wolkenbruch ein und die Wartenden wurden auch noch richtig schön nass. Da jedoch die meisten LKW´s nach Peru wollten, waren wir um 15.30 Uhr mit der temporären Einfuhr durch und wegen des Regens hatte man auch keine Lust unser Auto zu durchsuchen. Endlich also waren wir in Bolivien angekommen.
Zügig führen wir weiter nach Tiwanaku, der wichtigsten präkolumbischen Kulturstätte Boliviens. Doch obschon wir schon um 16.10 Uhr dort waren, konnten wir sie nicht mehr besichtigen. Der Schalter für den Eintrittskartenverkauf hatte vor 10 Minuten geschlossen. Außerdem begann es auch hier wolkenbruchartig zu regnen. So blieb uns nichts weiter übrig, als uns auf dem Parkplatz einzuigeln. Als alle Besucher weg waren und wir im Stockdunklen standen, wurde es uns hier zu unheimlich. Weit und breit kein Haus, kein Licht, geschweige denn irgendeine Wache. Da wir für Bolivien noch kein Sicherheitsgefühl hatten, stellten wir uns dann lieber vor eine Pizzeria. Die Besitzerin hatte es uns erlaubt und auf ihr Schlafzimmerfenster hingewiesen, wo wir sie im Notfall um Hilfe angehen könnten, jedoch es sei bei ihr absolut sicher. Wir hatten keine andere Wahl und nahmen das Angebot an. Am nächsten Morgen waren wir wegen der Zeitumstellung viel zu früh wach und machten uns erst mal auf in den 2 Kilometer entfernten Ort Tiwanaku. Die Bewohner haben in früheren Zeiten viele ihrer Häuser aus den Steinen des Heiligtums gebaut und gleich auch einige Skulpturen mitgenommen.
Selbst die Dorfkirche wurde mit steinernen Köpfen aus dem Templete Semisubterráneo verziert. Was hat man dabei nur gedacht? Endlich war es 9.00 Uhr und wir konnten uns Eintrittskarten kaufen. Die Tiwanaku-Kultur wird auf den Zeitraum 100 vor bis 1.000 nach Christus datiert und hat ihre Spuren in weiten Teilen des Hochlandes und selbst an der Pazifikküste hinterlassen. Um uns einen Überblick zu verschaffen gingen wir zuerst in das Museo Lítico Monumental. Kein Mensch war zu sehen, die Türen mussten wir uns selber öffnen und denken mussten wir uns auch, was wir da zu sehen bekamen. Es gab weder Führer noch Erläuterungen an den Ausstellungsstücken. Also nehmen wir mal an, es handelt sich hier um ein heiliges Tor.
Auch die Bedeutung dieses Fensters bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen.
Hierbei handelt es sich ganz offensichtlich um einen stark verwitterten Monolithen
Etwas besser war es im angrenzenden Museo Cerámico. Hier hatte man sich wenigsten die Mühe gemacht und vereinzelt Hinweise an den Schaukästen angebracht. Diese deformierten Köpfe kennen wir schon von den Mayas. Die Köpfe der Säuglinge wurden zwischen Bretter gelegt und auf diese Weise deformiert. Damals galt so ein langer Schädel bei der gehobenen Klasse als schön.
Dieses Miezekätzchen hätte mir auch schon gefallen. Der Jaguar ist in allen Kulturen Südamerikas Sinnbild für eine Gottheit.
Danach ging es an die Besichtigung der Ruine. Die Gesamtanlage ist 5qkm groß, allerdings ist kaum noch etwas erhalten. Niemand weiß heute was Tiwanaku eigentlich war. Hauptstadt eines Reiches, Wallfahrtsort oder zeremonielles Kulturzentrum. Es sollen 120.000 Menschen hier gelebt haben. Unbestritten ist, dass die Kultur nahezu alle folgenden Kulturen beeinflusst hat. Mangels Führer mussten wir uns an die mageren Aussagen unseres Reiseführers halten. Hier sehen wir den schon erwähnten Templete Semisubterráno mit seinen 175 noch erhaltenen eingelassenen steinernen Köpfen und im Hintergrund den Eingang zum Kalasasaya und dem Ponce-Monolith.
Unbestrittener Höhepunkt der Anlage ist der Intipunku (das Sonnentor). Es ist aus einem einzigen, 2,80 m hohen und 3,80 m breiten Block gefertigt, der eine 1,40 m hohe und 60 cm breite Öffnung hat. Sein Gewicht wird auf 10 Tonnen geschätzt. Leider ist das Tor irgendwann umgestürzt und in zwei Teile zerbrochen. Das Tor ist mit dem Abbild Wiracochas verziert, dem Erdenschöpfer. Es galt auch späteren Kulturen, insbesondere den Inkas als heilig, obwohl schon zu ihren Zeiten Tiwanaku eine Ruine war.
Bemerkenswert sind die beiden noch erhaltenen Monolithen, die Ähnlichkeiten mit den Monolithen aus Tula in Mexiko aufweisen. Hier der Monolith Fraile
und noch einmal als Einzelaufnahme des 3,50 m hohen Monolithen Ponce, der wahrscheinlich eine Gottheit darstellen soll.
Etwas weiter und außerhalb der Ruinenanlage liegt noch der Bezirk Pumapunku. Hier sehen wir die wahrscheinliche Hafenanlage. Obwohl der Titicacasee heute über 20 Kilometer entfernt liegt, soll er damals bis hierher gereicht haben.
Es ist schon kurz vor Mittag als wir mit der Gesamtbesichtigung fertig sind. Obwohl es hier nicht mehr viel zu sehen ist, war es doch irgendwie sehr beeindruckend, denn Reste der Tiwanaku-Kultur sind uns ja schon die ganze Zeit begegnet. Jetzt aber brauchen wir gute Nerven, denn in 70 Kilometern werden wir in La Paz sein. Zuerst müssen wir uns durch El Alto quälen, das auf einer Höhe von 4.100 Metern liegt und einst der Slum-Vorort von La Paz war. Im Streit hat sich El Alto von La Paz abgespalten und ist nun eigenständige Schwesterstadt. Jetzt schon mit über einer Million Einwohnern und täglich kommen Hunderte verarmte Menschen aus dem Hinterland hinzu. El Alto gilt als die am schnellsten wachsende, hässlichste und kriminellste Stadt von ganz Südamerika. Die Straße ist eine einzige Rüttelstrecke und der Verkehr grauenvoll. Hier gilt Augen zu und durch. An der Abbruchkante haben wir schon einen sagenhaften Blick auf La Paz mit seinem Straßengewimmel.
Wir können sogar das Zentrum mit dem Turm der Basílica San Francisco erahnen.
Auf wenigen Kilometern geht es nun auf 3.100 Meter steil bergab. Wer runter fährt denkt nur daran, dass ihn seine Bremsen nicht im Stich lassen und wer rauf fährt, dass er hoffentlich oben ankommt. In der 1.3 Millionen Metropole herrscht innerhalb des Stadtgebietes ein Höhenunterschied von 1.000 Metern und am tiefsten Punkt ist es gleich einige Grad wärmer. Unten angekommen fahren wir direkt wieder ein ganzes Stück bergauf, um zu unserem Ziel dem Hotel Oberland zu kommen. Wir staunen nicht schlecht über die vielen Traveler auf dem Parkplatz. Wir finden nur noch ein Eckchen, weil sich ein WoMo Fahrer freundlicherweise umsetzt. Hier steht eine internationale Gesellschaft aus Deutschen, Franzosen, Dänen und Schweizern. Gleich werden wir aufs herzlichste begrüßt. Für heute sind wir platt, jedoch kommt es schon zu einem regen Informationsaustausch. Manche sind hier schon Jahre unterwegs und haben außer Südamerika schon die halbe Welt abgeklappert und das teilweise mit schulpflichtigen Kindern an Bord. Wir lassen es langsam angehen und verabreden uns für den nächsten Tag mit Barbara, Birte und Ulli zu einem Treffen in der Kuchenstube im Zentrum von La Paz. Apfelkuchen und Berliner wie in Deutschland, was für ein Genuss. Birte und ihr Partner Ingo sind schon seit Wochen hier, da sie ihr Auto in der Werkstatt haben. Sie kennen sich bestens aus in dieser quirligen und im wahrsten Sinne des Wortes „atemberaubenden“ Stadt. So kommen wir gleich heute zu bestem Roggen-Fünfkornbrot von Arco Iris, einer Hilfsorganisation für Straßenkinder, Sprachkurs DVD der Extraklasse und einem Termin bei Ernesto, Südamerikas bekanntester Autowerkstatt unter WoMo Reisenden. Dort stehen zur Zeit so viele Reisende, dass wir erst in einer Woche zu ihm können, um unsere Handbremse reparieren zu lassen. Also haben wir mal richtig Urlaub hier.
Langweilig ist es hier nicht. Es gibt viel zu erzählen und wenn einem der Sinn danach steht und die Höhenkrankheit es zulässt, kann man ja wieder ins Zentrum. Viele Sehenswürdigkeiten hat La Paz nicht zu bieten, außer seinen bunten Märkten und dem ewigen auf und ab in den Straßen. Die Häuser sind so in die Hänge gebaut, dass jedes Jahr in der Regenzeit einige abrutschen und es mal wieder hunderte Tote gibt. Was aber keinen wirklich interessiert, es wird immer weiter gebaut. Die Fahrt vom Oberland ins Zentrum ist recht weit und dauert mit dem Taxi eine ¾ Stunde. Mit dem Bus oder Micro ist man eine Stunde unterwegs, was teilweise auch an dem vielen Verkehr liegt. Da wir schon mehrmals Taxi gefahren sind nehmen wir heute mal den Bus. Der ist so langsam, das wir die Strecke auch hätten zu fuß gehen können. Doch wir sehen so allerlei interessante Dinge. So zum Beispiel stehen auf einem Platz fast Hundert Männern mit Taschen. Auf den Taschen steht geschrieben was für Handwerker sie sind und in den Taschen ist ihr Werkzeug. Sie warten auf Arbeit. Braucht jemand z.B. einen Klempner (Plomero) kann er sich hier einen aussuchen. Ist die Arbeit getan, steht der Mann wieder hier und hofft auf den nächsten Auftrag. Glaubt immer noch Jemand, dass es uns in Deutschland schlecht geht?
Die Micros und Busse sind neben den Taxis die Hauptverkehrsmittel, denn private Autos kann sich hier kaum einer leisten. So leer wie dieser hier sind sie allerdings selten. Es wird normalerweise reingequetscht was geht.
Der Hauptplatz in La Paz heißt hier ausnahmsweise mal nicht Plaza Mayor oder Plaza de Armas, sondern Plaza Pedro Domingo Murillo. Der Rebell und Freiheitskämpfer wurde 1810 hier von Royalisten erhängt. Doch sein Freiheitsgedanke dauert bis heute fort und so hat er hier ein Denkmal bekommen. Ein wesentlich kleineres Denkmal erinnert an den Präsidenten Villarroel, der 1946 auch auf diesem Platz gehängt wurde, diesmal jedoch von einer wütenden Volksmenge. Ja die Bolivianer sind schon ein eigenes Volk. Sie leben hier in La Paz friedlich nebeneinander, bis mal wieder ein Staatsstreich oder ein Generalstreik für Aufregung sorgt, oder der Aufstand vom letzten Jahr mit den vielen Toten.
Die Kathedrale von La Paz ist zwar groß aber unattraktiv.
Von einer Brücke aus sehen wir auf die Basilica San Francisco und mal wieder eine der fast täglich stattfindenden Demonstrationen.
Ob sich bei diesem Kabelgewirr noch Irgendjemand auskennt?
Wir besichtigen das Cocamuseum und lassen uns nach dem wirklich sehr interessanten und lehrreichen Rundgang (sogar mit Erläuterungen in Deutsch) im angeschlossenen Cafe Kokakuchen, -Plätzchen und -Tee schmecken. Einen Beutel Kokabonbons nehmen wir auch noch mit, so werden wir weiterhin gut gegen die Höhenkrankheit gerüstet sein. Die uns diesmal überhaupt nichts ausmacht dank der eben erwähnten Heilmittel.
Trotzdem, dass hier viele Häuser einen traurigen Eindruck machen, gibt es immer wieder Kleinode zu entdecken.
Die beiden Brasilianer Mercilene und Jeronymo, die wir unterwegs einmal kurz getroffen hatten, finden sich auch im Oberland ein und überreden Bernd eine Downhilltour auf dem Camino de la Muerte (Todesstraße) durch die Yungas zu machen. Mir ist das gar nicht recht, hat doch die Straße nicht umsonst ihren Namen. Doch Bernd würde zu gerne diese spektakuläre Strecke fahren. Dabei werden 3.000 Meter Höhenunterschied durchfahren und fast alle Klima- und Vegetationszonen Südamerikas. Von eisigen Höhen bis zum dampfenden Regenwald. Schon um 6.00 Uhr morgens müssen die Drei mit einem Taxi zum Veranstalter fahren. Dort erhalten sie Sturzhelme, Handschuhe, lange Hose und Regenjacke. Danach wird erst mal gemeinsam gefrühstückt. In zwei Bussen wird die Gruppe dann zum La Cumbe Pass auf 4.640 Meter gebracht. Hinter der Lagune erhebt sich der Berg Potosí mit seinem Gletscher.
Hier erhielt jeder sein Fahrrad und es wurden erste Übungen gemacht, wie man zum Beispiel über einen großen Stein fährt, ob man mit den Bremsen zurecht kommt usw.
Der Sturzhelm sieht zwar recht imposant aus, ob er aber wirklich helfen wird bei 600 Meter Abgrund möchte ich bezweifeln, ein Fallschirm wäre eher angebracht..
Dann ging es 25 Kilometer bergab jedoch erst mal auf Asphalt. Danach wurden die Fahrräder nochmals überprüft. Denn jetzt wurde es ernst. Keiner durfte mehr schwache Nerven haben. Die Piste, ist wohlgemerkt eine Autostraße und an manchen Stellen gerade mal 3,20 Meter breit.
Dieser Abschnitt ist einer der gefährlichsten für die Radfahrer und Autofahrer möchte man hier auch nicht unbedingt sein. Von Gegenverkehr mal ganz abgesehen.
Wer hier aus der Kurve fliegt lernt fliegen. Die Steilhänge sind teilweise bis zu 600 Meter tief. Es geht unter mehreren Wasserfällen und durch den Río Yolosani hindurch. Zwar ist die Landschaft grandios, doch die Straßenführung erfordert volle Konzentration, da wie bereits erwähnt ja noch auf die Autos geachtet werden muss.
Doch für ein Foto bleibt immer noch Zeit.
Die vielen Kreuze am Wegesrand erinnern nicht nur an Autofahrer, auch bei den Radfahrern ist die Todesrate hoch.
Alle freuen sich, heil und gesund auf 1.250 Meter angekommen zu sein.
Die Gruppe erholt sich bei Mittagessen und Bad in der Hotelanlage Esmeralda in der Nähe von Coroico. Danach werden sie wieder in die Busse verfrachtet und können bei der Bergauffahrt noch einmal einen Blick auf ein Teilstück der gefahrenen Strecke werfen.
Nachdem sie im Regenwald waren hat die karge Bergwelt sie nun wieder. Gegen 19.00 Uhr sind meine drei Abenteurer erschöpft aber glücklich zurück. Bernd war übrigens der älteste Teilnehmer und hat sich tapfer geschlagen. Ich bin stolz auf ihn und froh, dass ich ihn heil wieder habe.
Die Tage in La Paz vergehen wie im Flug. Immer wieder gibt es etwas Neues zu entdecken. Mittlerweile haben wir den 02. November. Es gibt einen besonderen Brauch das Fest Todos los Santos (Allerheiligen) zu feiern. Seit gestern gehen alle auf die Friedhöfe und nehmen Essen und Getränke mit. Speziell für die Toten werden Brote gebacken die Formen von Menschen, Tieren oder Pflanzen haben.
Bandas spielen zum Tanzen auf.
Alkohol fließt in Strömen. Dabei wird immer etwas auf das Grab geschüttet für die Verstorbenen und natürlich auch für Pachamama. Kastenweise stehen hier die leeren Bierflaschen herum. Nüchtern ist hier keiner mehr und wir befürchten Pachamama liegt bis zum nächsten Jahr im Koma.
Wir verziehen uns schnell und gehen zum Valle de Luna (Mondtal) ganz in der Nähe vom Hotel Oberland. Im Wesentlichen besteht das Mondtal aus bizarren Felsformationen.
Wobei sich ein schöner Farbkontrast zu den Bergen
und der ausufernden Stadt im Hintergrund ergibt.
Mal wieder im Zentrum besuchen wir das Museum Tiwanaku, das auch nur von außen einen guten Eindruck macht.
Innen ist es genauso lieblos gestaltet wie die Museen an der Originalstätte. Nur der Jaguar macht uns wieder Freude.
Im Obergeschoss ist ein einziger Raum geöffnet. Die schönen Vitrinen wurden vom Staate Israel finanziert.
In der alten Calle Jaén finden wir die Casa Murillo und wundern uns, dass es in La Paz so was noch gibt.
Zwischenzeitlich sind wir umgezogen in die Werkstatt des Schweizers Ernesto. Hier ist es fast klinisch sauber, sogar jeder Ölfleck wird direkt vom Boden aufgewischt. Burro bedarf einer gründlichen Überholung und das dauert seine Zeit. Die arg ramponierten Stoßstangen und der rechte Außenspiegel werden ausgebessert. Der Motorschutz wird neu angefertigt und wieder angebracht. Ein Hitzeschutz hat sich gelockert. Der Ölwechsel ist fällig. Soweit die einfachen Dinge und jetzt wird es kompliziert. Es gibt keinen Luftfilter, keine Bremsbeläge und vor allem keinen Schlüssel um an die Handbremse zu kommen. Ernesto hat einen Mann der nur dafür da ist Ersatzteile aufzutreiben. Zwei Tage sucht er umsonst, selbst in El Alto. Unser IVECO fährt nicht in Bolivien, also gibt es auch keine Ersatzteile. Doch wir sollen nicht aufgeben, irgendwie gibt es immer eine Lösung, na hoffentlich! Wir richten uns auf eine weitere Woche La Paz ein. Wir nutzen die Zeit und beauftragen einen Polsterer die Vordersitze neu aufzupolstern und mit Stoff zu versehen. Das macht er ganz toll, nur bei der Farbe (er hatte den Auftrag ähnliches zu unserem Stoff zu nehmen) liegt er voll daneben. Rosa und das mir. Er kann überhaupt nicht verstehen, dass ich die Sessel so nicht will. Ich fahre mit ihm in einem Taxi (selbst ein selbständiger Polsterer kann sich hier kein Auto leisten) ins Zentrum und suche einen passenden Stoff aus, damit muss er die Sitze neu beziehen. Gut nur, dass Arbeitslohn hier so billig ist.
So haben wir also viel Zeit um immer mal wieder im Zentrum von La Paz herum zu stromern. Hier ein typisches Straßenbild mit der schneebedeckten Cordillera Real im Hintergrund.
Überall sieht man Indígenas die etwas verkaufen wollen um irgendwie über die Runden zu kommen. Der Verkehr ist grauenvoll, obwohl es sich hier fast ausschließlich um Taxis oder Micros handelt.
Gewürze aller Art werden hier am Straßenrand feilgeboten
Beim Stadtbummel geht es ständig bergauf und bergab. Immer noch schnaufen wir bei jedem Schritt. Ob hier die Einheimischen bei der Vielzahl der Läden selber noch den Durchblick haben?
Nach einer Woche Werksstatt Ernesto steht fest, er kann uns nicht mehr helfen. In ganz La Paz ist die Nuss zum Öffnen unserer Handbremstrommel nicht aufzutreiben. Wir bekommen den Tipp es in El Alto bei Walter Martínez zu versuchen. Ausgerechnet El Alto, wohl ist uns nicht bei dem Gedanken doch haben wir eine andere Wahl? Die Werkstatt macht eher den Eindruck einer Rumpelkammer und strotzt nur so von Dreck. Sehr zu unserem Erstaunen treffen wir hier die Deutsch/Französische Familie wieder, die wir schon aus dem Oberland kennen. Sie sind auch schon eine Woche hier und haben von Walter den allerbesten Eindruck. Er schein wirklich ein Fachmann zu sein und macht alles Unmögliche möglich. Als erstes zaubert er die Nuss für die Handbremse herbei und nicht nur das, er besorgt auch noch eine zweite für uns. Die haben wir nun immer an Bord, damit wir so ein Drama nicht mehr erleben müssen. Wieso hat Walter so eine Nuss und der Helfer von Ernesto konnte sie nicht besorgen? Die Antwort ist einfach: Ernesto ist Gringo und Walter Aymara. Hier oben gibt es nur Indígenas, wir haben in der Woche die wir hier bleiben müssen außerhalb der Werkstatt nicht ein einziges weißes Gesicht gesehen. Die beiden Helfer von Walter arbeiten stumm an Burro herum. Sie erkennen das Problem mit der Handbremse sofort, die in der Fachwerkstatt in Quito haben Murks gemacht und die Bremse nicht richtig eingestellt. Außerdem ist ein Belag schon wieder abgefahren, weil die andere Seite die ganze Zeit nicht gearbeitet hat. In zwei Tagen ist alles repariert und funktionstüchtig. Doch auch ein Bremsbelag der Bremsanlage muss erneuert werden. Gibt es hier nicht, da werden eben die alten Eisen mit neuen Belägen versehen. Das soll halten bis wir in Brasilien sind, dort gibt es unser Modell und auch die passenden Ersatzteile. Das Öl im Differenzialgetriebe wird auch noch gewechselt. Walter kommt mit sorgenvoller Miene zu uns. Die Helfer haben das alte Öl durchgesiebt und Metallteile darin gefunden. Das bedeutet nichts Gutes. Also wird das Getriebe ausgebaut und tatsächlich, ein paar Distanzscheiben sind morsch bzw. haben sich bereits aufgelöst. Die Ersatzteile muss er in Chile bestellen. Wir können uns auf einen längeren Aufenthalt in El Alto einrichten. Zwei Tage halten uns Jana und Xavier mit ihren Kindern Julie und Auguste, sowie dem Hund Sepi bei Laune, dann ist ihr WoMo fertig und sie verlassen diesen traurigen Ort. Drei Stunden haben sie ihren Hund gewaschen bis endlich aller Schmutz von ihm runter war. Hier wird einfach Abwasser, Öl und was sonst noch auf den Boden laufen gelassen, dementsprechend sieht es in unserer Umgebung aus. Meine Frage nach einem Mülleimer wird auch nur mit einem Schulterzucken quittiert.
Ich habe Zahnschmerzen und wir machen uns auf den Weg zu einem Zahnarzt in La Paz. Die Praxis ist vom Feinsten und kann sich durchaus mit europäischen Maßstäben messen (die Preise auch). Eine Zahnwurzel ist entzündet und ich bekomme Antibiotika und Schmerzmittel. Nach 7 Tagen soll ich mich noch einmal vorstellen. Da sind wir hoffentlich doch schon lange in Santa Cruz. Zu dumm, denn wenn das Antibiotika nicht hilft muss die Krone runter und der Zahn gezogen werden. Der Zahnarzt macht mir Laune, aber wenn man schon Aguirre heißt (wer kennt den Film mit Klaus Kinski in der Hauptrolle?). Wieder in El Alto kommt die nächst Hiobsbotschaft: Alle Zöllner streiken auf unbestimmte Zeit. Unsere Ersatzteile liegen in Iquique und kommen nicht durch den Zoll. In Bolivien weiß man nie, wann ein Streik zu Ende ist, es kann Tage oder auch Wochen dauern. Das halten wir nicht aus, in dem erbärmlichen El Alto und in dieser trostlosen Umgebung. Walter überlegt und macht uns den Vorschlag aus einem IVECO, der hier bei ihm zur Reparatur steht das Getriebe auszubauen und die passenden Ersatzteile für uns zu nehmen, wenn diese an dem Auto noch in Ordnung sind. Uns ist alles recht, Hauptsache irgendwann kommen wir hier weg. Er stellt uns sein Internet zur Verfügung und wir können wenigstens den Blog schreiben. Das nächste Mal erfahrt ihr, ob wir immer noch in La Paz sind, oder ob es endlich eine Lösung für uns gegeben hat.

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