Auch der nächste Tag ist ein reiner Fahrtag. Vorbei an der Großstadt Santos nähern wir uns in Cubato auf 60 Kilometer Sao Paulo. Was sich hier abspielt ist fast unglaublich. Wir sehen nur Container Lagerplätze, LKWs mit Containern (die meisten übrigens von Hamburg Süd) und Fabriken. Sao Paulo hat sich mit seinen Krakenarmen wahrscheinlich schon bis hierher ausgedehnt. Luftverschmutzung und Verkehr sind grauenhaft. Wir bleiben auf der autobahnähnlichen SP 055 noch 70 Kilometer eingekeilt zwischen den LKWs bis Períube. Den angeblichen Campingplatz im Ort kennt niemand, nicht mal die Touristeninformation (Was aber nicht viel heißen will.) So beschließen wir, für den Moment die Küste zu verlassen und fahren hoch in die Serra do Mar, kommen in den Bundesstaat Paraná und einige Kilometer vor Curitiba ist für uns Ende an einer Tankstelle. Mehrmals suchen wir die dortigen Duschen auf, um unsere Körpertemperatur wieder auf Normalwerte zu bringen. Unsere Hoffung, dass die Höhe etwas Abkühlung bringen würde war trügerisch.
Es gibt zwischen Curitiba und der Hafenstadt Paranaguá eine bei den Touristen sehr beliebte Eisenbahnstrecke. Der Serra Verde Express, eine Schmalspurbahn überwindet bis zum Meer einen Höhenunterschied von 950 Metern mit 3,3% Gefälle, 13 Tunneln, 67 Brücken und spektakulären Ausblicken. Das Gegenstück dazu ist die Estrada Graciosa. Jeronymo hatte Bernd dazu verleitet, die Estrada Graciosa zu fahren. Die ist allerdings für LKWs und Busse gesperrt und wir müssten uns an der Polizeistation am Beginn der Strecke vorbeimogeln. Vorsichtshalber wurde ich darüber natürlich im Unklaren gelassen. Doch die Beschilderung am Anfang der Strecke war recht eindeutig und für Jedermann (und Frau) verständlich. Die Polizeistation war noch nicht besetzt und so stand der Fahrt in endlosen, engen und steilen Kehren abwärts auf Meereshöhe nichts mehr im Wege. Zwar waren die Kurven manchmal wirklich etwas eng für Burro, aber wir wurden durch eine wunderschöne Landschaft entschädigt.
Es gab unerwartet viel touristischen Verkehr, doch alles hatten ja Urlaub und bei den Ausweichmanövern an den engsten Stellen die Ruhe weg.
Urwald so weit das Auge reicht. Besonders schön waren die mit fleißigen Lieschen bewachsenen Hänge. Doch immer genau da war es besonders eng und leider keine Möglichkeit für einen Fotostopp gegeben.
Nett angelegte Rastplätze luden zum Verweilen ein. Ausgerechnet jetzt fuhr ein Polizeiauto an uns vorbei. Die Polizisten hielten kurz an, schauten herüber zu uns, behelligten uns aber nicht weiter.
Gut das neben dieser Brücke eine neue gebaut war, es wäre doch etwas eng für uns geworden.
Dieser Bach, der Rio Nhundiaquara hat uns das enge Tal beschert.
In dem kleinen Städtchen Antonina war das spektakulärste vorbei und wir hatten die Muße einen Rundgang in dem netten, allerdings etwas herunter gekommenen Ort zu machen. Wir begaben uns mit einem kurzen Anstieg zur Igreja N.S. do Pilar aus 1714.
Vom dortigen Vorplatz gab es eine schöne Aussicht auf die Baía de Paranaguá.
Manche der alten Häuser waren nett renoviert, andere durch das feucht-heiße Klima stark angegriffen.
mit verfallenem Gebäuden und schöner Aussicht war unser Stadtrundgang auch schon vorbei.
Am Ortsausgang gab es dann noch ein Eisenbahnmuseum mit Bernds Lieblingsmotiven.
Unser nächstes Ziel auf der Strecke war Morretes, das auch eine Zwischenstation der Bahn ist. Der Ort ist sehr touristisch ausgelegt und so wurden wir dort direkt auf einen Parkplatz eingewiesen und an Ort und Stelle mit Infomaterial versorgt. Noch während wir uns orientierten, standen Gerlinde und Horst an unserem Fenster. Deutsche WoMo Fahrer aus Augburg und die ersten die wir in Brasilien getroffen haben. Sie waren allerdings heute mit dem Zug da und hatten bis 15.00 Uhr Aufenthalt. So gingen wir gemeinsam Essen um uns ein wenig Reiseerfahrungen auszutauschen. Eigentlich hätten wir uns schon früher begegnen können, denn sie waren fast überall da, wo wir auch waren. Allerdings besuchen sie in 6 Monaten das, was wir uns in 2 ½ Monaten ansehen. Nachdem wir die Beiden verabschiedet hatten, machten wir uns an die Besichtigung des kleinen Ortes. Morretes ist ein beliebter Rentnersitz und sehr gepflegt.
Am nächsten Morgen stand eine kurze Fährfahrt an, denn die Bucht von Guaratuba musste überquert werden. Das war eine willkommene Abwechslung und auch Abkühlung.
Immer weiter auf der BR 101 erreichten wir den Bundesstaat Santa Catarina. Dieser kleine Bundesstaat wurde ab 1822 von deutschen und anderen europäischen Einwanderern bevölkert. Während an der Küste die Portugiesen und Italiener siedelten, zog es die Deutschen in die Mittelgebirge. Gepflegte Dörfer und Fachwerkhäuser sind hier keine Seltenheit. Manche Orte wie Blumenau und Pomerode pflegen ihr deutsches Image und fahren sehr gut damit. Doch bevor wir den ersten dieser Orte erreichten, sahen wir kurz hinter Joinville (mit Windmühle neben dem Stadttor) eine IVECO Werkstatt. Da Burro schon wieder viele Kilometer auf dem Buckel hatte, war eine lange Liste abzuarbeiten. Wie erwartet sprach man hier Deutsch und so war es für Bernd diesmal einfach, seine Wünsche an den Mann zu bringen. Wir wurden sofort angenommen und um 18.30 Uhr waren die verschiedensten Öle und Riemen gewechselt, die Bremsen überprüft und Burro wieder startklar. Da es für eine Suche nach einem besseren Platz schon zu spät war, musste eine Tankstelle für die Übernachtung herhalten. Die uns eine heiße Nacht mit viel Lärm und wenig Schlaf bescherte. Weiter auf der BR 101 bogen wir einige Kilometer weiter Richtung Blumenau ab. In der 300.000 Einwohner großen Stadt sind 40% deutscher Abstammung. In ganz Brasilien ist Blumenau wegen seinem Oktoberfest bekannt. Es ist das größte neben dem in München. 30 Schützenvereine und Volkstanzgruppen halten das deutsche Erbe in Ehren. Die Herings, aus Sachsen eingewandert, haben hier das größte Textilunternehmen Brasiliens gegründet. Doch wir wollten es eine Nummer kleiner und fuhren weiter bis Pomerode (Pommern-Rodung). Schon vor dem Ort fiel uns diese Reklametafel auf. Also so ist es ja kein Wunder, wenn die Brasilianer glauben die Deutschen trügen kurze Hosen, Zipfelmützen und tränken den ganzen Tag Bier (und sie glauben das wirklich).
Unsere Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz hatte sich schnell erledigt. Direkt am Stadttor-Süd war die Touristeninformation und die boten uns gleich hier an der Praça Jorge Lacerda einen kostenlosen Platz mit Strom und Wasser an. Noch bevor wir uns überlegen konnten, wie wir uns stellen sollten war uns schon ein Mann behilflich. Silverio M. hatte uns von seinem Haus aus beobachtet und war prompt zur Stelle. Er hatte einen deutschen Großvater (aus Bayern oder Sachsen?) und immer wenn er Wohnmobile sieht, geht er zur Praça um zu schauen, ob Deutsche dabei sind. Er weiß, dass die meisten einen Blog schreiben und dann kann er den lesen. Auf diese Weise reist er um die halbe Welt und behält so auch die deutsche Sprache. Sein Deutsch ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber sehr gut verständlich. Er zeigt uns Strom- und Wasseranschlüsse und erzählt uns so ganz nebenbei, dass vor 14 Tagen dieser Platz kniehoch unter Wasser gestanden hat. An den umliegenden Häusern kann man noch gut die Wasserstandshöhe erkennen.
Wir gehen in das von Silveiro M. empfohlene Lokal zum Mittagessen. Auf dem Weg dorthin sind wir etwas enttäuscht. Wo sind denn nun die Fachwerkhäuser? Was wir sehen sind Häuser, an denen mit Holz ein Fachwerk nachgeahmt wurde. Zwar blitzt der Ort vor Sauberkeit, was ja in Brasilien nicht selbstverständlich ist, aber besonders Deutsch sieht es hier nicht aus. Nur die Strassen- und Gaststättennamen lauten hier: Bergblick, Schröder oder Weege. Unser Lokal allerdings heißt Dos Amigos und dort ist es ganz lustig. Es finden Gespräche folgendermaßen statt: Einer sagt etwas in einer Sprache die sehr nach Deutsch klingt, aber nicht immer für uns verständlich ist und ein anderer antwortet in Portugiesisch. Als ich die Kellnerin frage, was für ein Fleisch ich da gerade esse, versteht sie mich nicht, aber sie ruft gleich einen Gast der mir dann in Deutsch sagen kann, dass es Ente ist. Außerdem fragt er uns, ob wir die sind, die mit dem “Ferienauto” an der Praça stehen. Schon sind wir wieder aufgefallen. Nach dem Mittagessen kommt Silveiro uns wieder besuchen und so vergeht die Zeit mit Erzählen. Wir kommen dann gerade noch dazu den örtlichen Zoo zu besuchen. Es ist der drittälteste in Brasilien und wurde von Hermann Weege 1932 gegründet. Überhaupt hier ist alles Weege: Straßennamen, Fabriken, Museen usw. Der Zoo ist ganz nett und hier bekommen wir ihn endlich zu Gesicht, den Mico-Leao-Dourado.
Auf dem Rückweg zum Stellplatz kommen wir an einem Kuchenhaus vorbei. Das sogenannte Café Colonial sei angeblich ein deutsches Kulturgut. Hier gibt es ein Buffet mit vielen Kuchen und Teilchensorten, aber auch Pudding, Brotsorten, Käse und Wurst. Man tut sich auf den Teller was man essen möchte und am Ende wird nach Gewicht bezahlt (Kuchengewicht nicht Körpergewicht!). Also was bei uns nicht so alles Tradition sein soll. Obwohl, wenn ich jetzt so an eine Bergische Kaffeetafel denke! Hilfe, ich bekomme Heimweh.
Unser Stellplatz liegt direkt an einem Park. Wir stellen unsere Stühle raus und bleiben bis tief in die Nacht draußen sitzen. Der Biergarten “Würstchenbude” ist noch lange gut besucht. Ein Spielplatz mit einer kleinen Hütte schließen sich an den Park an. Die Bänke sind mit Splitterkacheln und Glaskugeln nett gestaltet. In Deutschland wäre das alles schon der Zerstörungswut zum Opfer gefallen, doch hier ist eben heile Welt.
Am nächsten Morgen bekommen wir auch die Fachwerkhäuser zu Gesicht. Sie liegen einige Kilometer außerhalb der sogenannten Neustadt in einem Nebental, am Rio do Testo. Hier in Testo Alto haben sie zuerst gesiedelt, die Menschen aus der alten Welt. Die Casa Wachholz von 1861 ist das älteste Gebäude und sieht immer noch aus wie neu.
Mit dem Blick auf das Stadttor Nord, der Pórtico Wolfgang Weege, das ein Nachbau des Stadttors von Stettin sein soll, verabschiedeten wir uns von Pomerode.
Wir machten einen kleinen Rückwärtsschlenker, da wir wegen unseres Werkstattaufenthaltes irgendwie die schöne Strecke von Sao Francisco do Sul nach Jaraguá do Sul verpasst hatten. Dies wollten wir nun nachholen und in umgekehrter Richtung befahren. Immer wieder sahen wir einzelne Gehöfte in Fachwerkbauweise in einer Berg- und Wiesenlandschaft, die genauso gut im Schwarzwald hätte sein können. Auch Jaraguá do Sul wurde von deutschen Siedlern gegründet. Auf der Festa do Tiro (Schützenfest) treten Volkstanz- und Trachtengruppen mit Namen wie: Regenwalde, Neuer Fluss Baden Blu oder Bavária auf. Doch hier ist der Tourismus nicht Haupteinnahmequelle sondern die Textilindustrie. Irrtümlich hielten wir das Refúgio Ecológico Parque Malwee für einen Vogelpark. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich das ganze aber als riesiger Freizeitpark, der 1978 von Wolfgang Weege gegründet wurde. An der Pforte wurden wir auf Deutsch begrüßt. Der Wärtet konnte nur noch ein paar Worte, doch er freute sich sehr einmal Besuch aus Deutschland da zu haben. Sein Großvater……….Er wollte dann noch etwas über unser Tour erfahren und wo wir überall waren. Zum Schluß fragte er uns , wo es denn am Schönsten war. Noch bevor wir antworten konnte hatte er die Antwort parat: Natürlich in Deutschland. Er war nie in Deutschland und kennt das Land nur aus Erzählungen. Wir lassen ihn in dem Glauben.
In dem Freizeitpark gab es zwei Museen, die wir uns kurz anschauten. Hier kann man erkennen , womit die Weeges ihr Geld verdienen, der Textilindustrie.
Erst am nächsten Morgen kamen wir dazu Sao Francisco do Sul, die kleine Kolonialstadt an der hübschen Baía da Babitonga zu besichtigen. Was aber zunächst beinahe an fehlenden Parkplätzen gescheitert wäre. Nirgendwo auch nur die geringste Chance auf ein Mauseloch. Ein hilfreicher Polizist, der mit dem Motorrad mit uns auf Parkplatzsuche ging, wurde schließlich fündig und so konnten wir uns doch noch das Städtchen ansehen. Wäre auch schade gewesen, denn der Ort macht wirklich etwas her. Hier der Blick auf die Igreja Matriz Nossa Senhora da Graçiosa.
Wie fast immer, wenn wir auf solchen Strecken fahren, fängt es an zu nieseln und die Aussicht wird leider schlechter. Auf der Passhöhe regnet es dann schon stärker. So ist das eben wenn man der Hitze am Meer entgehen will, dann kommt man in der Höhe in den Regen. Doch wir sind um vieles besser drann, als die Touristen die hier im Bikinioberteil und Badeschlappen erbärmlich frieren. Zwar bleiben wir im Prinzip auf der Höhe, doch immer wieder von Talab- bzw. Auffahrten unterbrochen. Hier ist das Apfelanbaugebiet Brasiliens. Im Moment ist gerade Ernetzeit und es gibt Äpfel und Apfelprodukte an jeder Ecke. Wenn nicht die Araukarienwälder wären, könnten wir wirklich meinen, wir befänden uns in Europa. Hier fällt übrigens im Winter Schnee, was für die Brasilianer aus dem Norden eine Sensation ist und im Juli sind hier alle Hotelbetten ausgebucht. Über Sao Joaquim und Lages, dem Wirtschafts- und Handelszentrum der Region, erreichen wir auf einer 8 Kilometer langen Abfahrt das Tal des Rio Pelotas und damit die Landesgrenze zum Bundesstaat Rio Grande do Sul. Ab Vacaria, (zweitgrößter Apfelproduzent Brasiliens) gibt es wieder riesige Fazendas und Fabriken. Auffallend sind die vielen erbärmlichen Hütten der schwarzen Arbeiter am Straßenrrand. Dann erwischt uns der Regen richtig. Ausgerechnet auf einer langen Bergabfahrt schüttet es wie aus Kübeln und wir haben kaum noch Sicht. Entgegen kommende Autos geben Wahrnzeichen und tatsächlich, es liegen schon Äste und noch schlimmer, große Gesteinsbrocken auf der Straße. Die Hänge drohen an zu rutschen und wir können nirgends anhalten. Hier heißt es nur noch Augen auf und durch. Endlos kommt uns die Zeit vor, bis wir endlich Caixias do Sul erreicht haben. Zwar soll es hier einen Campingplatz geben, doch wegen des Starkregens und der Dunkelheit wollen wir den nicht mehr suchen, sondern fahren auf eine 24stunden Tankstelle und dort in die letzte vorhandene Lücke. Wir sind vollkommen geschafft für den Tag. Am nächsten Morgen sah die Welt wieder besser, wenn auch nicht unbedingt trockner aus und wir hatten wieder einen Blick für die Landschaft, wie z. B. auf Galópolis und seinem Wasserfall.
Nun war es schon Mittag und weit würden wir an diesem Tag wohl nicht mehr kommen. Doch auch wir ließen uns nicht aus der Ruhe bringen und genossen die Fahrt. Auf der Küstenstraße passierten wir Orte mit den Namnen Xangri-Lá oder Oásis. Sie entpuppten sich als fast reine Ferien- oder Wochenendsiedlungen der Bewohner von Porto Alegre. Auf der Meerseite standen die eingezäunten und teilweise bewachten Wohneinheiten und auf der anderen Seite der Straße die Elendshütten. Schon in Balneário Pinhal fanden wir einen Stellplatz auf einem als solchen nicht zu erkennenden und auch nicht gekennzeichneten Campingplatz vor einem Hostal ohne Namen. Wir fragen uns immer wieder, ob diese Plätze nicht gefunden werden wollen oder sollen. Wir hatten mindestens 5 Personen nach einer Campingmöglichkeit befragt und wurden dann auch in fünf verschiedene Richtungen geschickt. Erst ein Anwohner, der über eine Mauer kletterte um den Besitzer zu fragen, verhalf uns zu dem Platz, auf dem dann aber noch ein paar Zelte standen. Einfach am Meer stehenbleiben wäre nicht möglich gewesen, denn hier wie auch schon in Torres standen überall Parkverbotsschilder für Wohnmobile. Der Strand hier war ausgesprochen gut besucht, obwohl das Meer sehr unruhig und auch recht braun war. Muschelsucher waren mit speziellen Geräten unterwegs um gute Beute zu machen. Am nächsten Morgen fuhren wir auf einer Straße Richtung Capivari do Sul, die den Namen “grüner Tunnel” wirklich verdient hatte.