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Samstag, 1. Oktober 2016

II. Gjirokasta bis Butrint

Wir reißen uns los vom idyllischen Platz, denn es gibt ja noch viel zu sehen und ab jetzt soll der Zustand der SH 75 noch schlechter werden. Ein kleiner Stausee, mit wundervollem Panorama, lädt zum Verweilen ein, allerdings kommen wir nicht näher heran.
Immer wieder halten wir an, um die Ausblicke auf die Nemercka-Kette zu genießen.
Die Straße windet sich bis auf 1.120 m hoch und dann in einem auf- und ab auf 900 m hinunter, bis zur Kleinstadt Leskovic (1.500 Einwohner), die am Fuße des 1.400 m hohen Mali i Melesinit liegt , nahe des Grenzübergangs Tre Urat . Griechenland ist zum Greifen nah und die Bevölkerung in den Dörfern spricht eher Griechisch als Albanisch. Wir parken an den gewaltigen, 300 Jahre alten Platanen.
Ein Baum ist sogar um die Wasserquelle herum gewachsen.
Die Altstadt ist noch sehr ursprünglich mit ihren gepflasterten Straßen (hier fahren auch Autos).
Beim Aufstieg zur Bauernkirche bekommen wir Weintrauben geschenkt und nur deshalb , weil wir die Leute mit „Kalimera“ begrüßt haben.
Zunächst finden wir die dreischiffige und recht breite Kirche verschlossen vor. Wir wollen schon gehen, da sehen wir in einiger Entfernung den Popen den Hang hinauf eilen. Er winkt uns heftig, wir sollen warten und schließt uns die Kirche auf. Es hat sich also anscheinend schon herum gesprochen, dass Touristen da sind.
Die alten Steinhäuser sind meistens umgeben von Gärten, wo auch Ziegen und Esel einen Platz finden.
Nicht alle Häuser sind nach unseren Maßstäben noch bewohnbar, aber die Lage wohl einmalig.
Manchmal wissen wir nicht wohin zuerst schauen, auf die Landschaft oder die Straße,
die immer wieder ein paar Überraschungen für uns bereit hält.
Der Fluss Vjosa begleitet uns und unsere stark gewundene, mäandernde Straße immer mit Blick auf die Nemercka-Kette. Dann haben wir für heute auf 250 m Höhe die meiste Bergfahrerrei hinter uns gebracht. Wir folgen dem Hinweis Bënje/Lixha ujeta termale und haben unser Tagesziel, die Naturtherme erreicht. Noch zu Fuß über eine Steinbrücke aus osmanischer Zeit, die Ura e Katiut
und dann steht einem Bad im warmen, schwefelhaltigem Wasser nichts mehr im Wege. Egal ob in den Naturbecken oder im Fluß Lëngarica.
Als Stellplatz dient uns der Parkplatz, der sich gegen Abend auch mit weiteren WoMo´s füllt.
Weiter Richtung Përmet und immer noch entlang der Vjosa sehen wir eine baufällige Fußgängerbrücke, bei der wir uns fragen ob sie wirklich noch genutzt wird.
Schnell noch einen Abstecher in das Dorf Kosina mit seiner spätbyzantinischen Kirche Shën Mërise aus dem 13. Jahrhundert
und seinen Granatapfelbäumen.
Nach alter Tradition werden hier noch die Schafe und Ziegen gehütet.
In Kelcyra, hoch auf einem Hügel, steht die Ruine einer ehemals türkischen Festung, aus der Zeit als der Ort noch eine blühende Handelsstadt war.
Am Liqeni i Viroit (Viro-Stausee), kurz vor Gjirokasta suchen wir uns einen Parkplatz, der uns für die Nacht als Stellplatz dienen soll. Hier entspringt eine Karstquelle, die den Drin speist. Das Wasser ist vollkommen klar und Kinderstube für abertausende von kleinen Fischen. Auch hier finden sich gegen Abend noch weitere WoMo´s ein. Wir scheinen alle den selben Stellplatzführer zu haben.
Die wenigen Kilometer nach Gjirokastra (Gjirokastër) sind schnell zurück gelegt. Jetzt stellt sich uns die Parkplatzfrage, denn in die Altstadt mit ihren steilen, engen, gepflasterten Straßen dürfen wir auf keinen Fall gelangen. Ein offensichtlich stillgelegtes Fabrikgelände bietet sich an und da uns keiner aufhält, versuchen wir es dort. Taxis stehen schon bereit um uns zu der hoch und finster über der Stadt thronenden Kalaja e Girokastrës (Zitadelle) zu bringen. Tatsächlich ist es schon ein Erlebnis an sich, wie es die Autos überhaupt die steilen Gassen hinauf schaffen und Gegenverkehr gibt es ja auch noch. Mehrmals bricht dann das berüchtigte albanische Chaos aus, wo jeder nur an sich denkt und keiner weichen will, bis dann gar nichts mehr geht. Unser Taxifahrer kommt mit dieser Situation spielend zurecht.
Durch das Vezir-Tor betreten wir die geschichtsträchtige Anlage. In der 1811 von Ali Pascha erweiterten Zitadelle werden derzeit allerlei Beutestücke aus dem II. Weltkrieg ausgestellt. Außerdem gibt es einen Kerker, der 1932 auf Anordnung Königs Zogu erbaut wurde und bis in die 1960 Jahre ein berüchtigtes Gefängnis für politische Gefangene war.


Nicht alle Stellen sind gefahrlos zugängig, da es lockere Mauerteile und ungesicherte Einsturzlöcher gibt. Dafür ist der Blick über die Stadt aber um so schöner.
Der Uhrenturm stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Gjirokasta ist ein vom Verfall bedrohtes UNESCO-Welterbe, dass bereits im 16. Jahrhundert ein bedeutendes Verwaltungs- und Justizzentrum war. Derzeit wird offensichtlich wild gebaut und restauriert, die Verwaltung schließt die Augen und der seit 2005 bestehende Welterbetitel ist in Gefahr. 500 Gebäude in der Altstadt stehen unter Denkmalschutz. Nur wenige Besitzer haben das Geld sie zu erhalten und so lassen sie ihre Häuser einfach verfallen oder sind sogar zwischenzeitlich nach Griechenland ausgewandert. Dabei ist der Ort wirklich ein Schatzkästchen mit reichlich touristischem Potential. Ausreichend Souvenirläden gibt es jedenfalls schon.
Man braucht schon einigen Spürsinn um die einzelnen Sehenswürdigkeiten zu finden und auch zu erkennen. Schmale Pfade, oft unmarkiert führen dorthin oder man landet in einem Hinterhof. Fragen nutzt auch nicht viel, die Leute verstehen uns meistens nicht. Irgendwie kommen wir aber zum Ziel, wie hier zu den Sieben Brunnen, die ehemals an einer heute nicht mehr existenten Moschee lagen.
Über dem restaurierten, aber leider nicht zugänglichen Hamam thront die Zitadelle.
Das Stadtbild wird geprägt von den sogenannten Wehrturmhäusern. Teils bis vier Stockwerke hohe, steinerne Häuser mit Wirtschaftsräumen, Frauenräumen und Empfangsräumen.
Ein paar wenige sind renoviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wie das Skënduli Haus, dass uns einen Einblick in die frühere Wohn- und Lebensweise vermittelt. Informativ ist auch das Ethnografische Museum.
Vom stundenlangen bergauf- und bergab auf dem unregelmäßigen Pflaster tun uns die Füsse weh und wir hören mit der Besichtigung des Orte auf. Man könnte bestimmt mehrere Tage hier zubringen bis man jedes Kleinod entdeckt hat. Wir fahren noch die 18 Kilometer bis zur Ausgrabungsstätte Antigonea. Für eine Besichtigung ist es für heute zu spät, die Anlage ist schon geschlossen. Also richten wir uns auf dem Parkplatz für die Nacht ein. Die dann sehr einsam und absolut ruhig wird. Zur offiziellen Öffnungszeit um 8.00 Uhr ist kein Wärter zu sehen. Wir gedulden uns noch bis 8.20 Uhr, dann gehen wir hinein. Immerhin ist die 295 v. Chr. vom Molosserkönig Pyrrus gegründete Stadt über ein Gelände von 92 Hektar verteilt und die Hauptattraktion, dass farbenprächtige Mosaik in der frühchristlichen Basilika liegt natürlich genau am anderen Ende, da wollen wir nicht länger warten.
Wie so oft bei solchen Anlagen muss man schon sehr seine Fantasie walten lassen um aus den umliegenden Mauerresten Gebäude wie z. B. Akropolis, Kirchen, Werkstätten usw. zu erkennen. Die größte Enttäuschung erleben wir dann an der Basilika, die Mosaiken sind mit einer dicken Sandschicht abgedeckt und somit überhaupt nicht zu sehen.
Dennoch sind wir nicht unzufrieden. Haben wir doch einen wunderschönen Spazierweg mit Aussicht auf das Lunxhëria Gebirge gemacht. Auf den umliegenden Hängen blühen gelbe Herbstnarzissen
und ebenso gelb blühende Disteln, die den zahlreich umher fliegenden Insekten reichlich Nahrung bieten und aus der Ferne klingen die Glöckchen der Viehherden zu uns herüber.
Beim Ausgang dürfen wir dann noch das Eintrittsgeld zahlen und bekommen einen Plan für den Rundgang ausgehändigt. Gut nur, dass wir einen in unserem Reiseführer hatten. Wenige Kilometer zurück auf dem Weg nach Gjirokasta halten wir noch bei dem Dorf Sarqinishtë an. Hier soll es viele Häuser geben, in denen Steine und Fragmente aus Antigonea verbaut wurden. Für uns als Laien ist das allerdings schwer zu erkennen. Die kleine Kirche inmitten des Friedhofs ist jedenfalls eine Augenweide.
Was man von der Straße nicht unbedingt sagen kann. Hier ist sie gleich ganz abgerutscht und wir müssen über den holprigen Randstreifen ausweichen.
Jetzt vorbei an Gjirokasta sehen wir nach wenigen Kilometern schon wieder eine Bogenbrücke. Da müssen wir natürlich aussteigen und sie überschreiten.
Unser heutiges Tagesziel ist eines der bekanntesten touristischen Attraktionen Albaniens, die Karstquelle Syri i Kaltër oder auch Blue Eye genannt. Noch einmal über einen Pass (Muzini-Passs, 550 m). Jetzt noch über den 13 m hohen Fahrdamm am Liqeni i Bistricës (Bistrika-Stausee). Hier werden wir mit 200 Lek zur Kasse gebeten. Dann sind noch 1 1/2 Kilometer Loch- und Schlammpiste der schlimmsten Art (für das Geld hätte man mal den Weg ausbessern können) zu bewältigen. Syri i Kaltër ist wirklich beeindruckend. Aus dunkler Höhle, die nur bis 50 m Tiefe erforscht ist, strömt fortlaufend 12° kaltes Wasser empor. Das Karstgestein sorgt für die blaue, türkise bis hin zur grünlichen Färbung.
Das glasklare Wasser fließt dann in kleinen Flüsschen durch ein dschungelartiges Areal in den Stausee.
Wir essen zu Mittag auf der Außenterrasse des Restaurants, gleich neben einem dieser Wasserabläufe und können sehen, wie der Kellner das Wasser direkt aus einem Brunnen in eine Karaffe schöpft und es seinen Gästen zum Trinken auf den Tisch stellt.

Für heute haben wir mal wieder genug und jetzt geht es vorbei am Butrint See direkt an das Ionische Meer und dort bis Ksamil, einem in der Saison bei Einheimischen sowie Touristen sehr beliebten Badeort.
Wo wir auf dem immer noch gut belegten Campingplatz Sunrise ein schönes Fleckchen mit Aussicht auf das Meer und die nahe griechische Insel Korfu finden. Einen Tag lang genießen wir Sonne und Wasser,
dann sind wir bereit für Butrint. Wir lassen Stühle und Fahrräder auf dem Campingplatz zurück und fahren mit dem WoMo bis zum Großparkplatz in Sichtweite der Ausgrabungsstäte, die sehr malerisch auf einer bewaldeten Halbinsel an der Lagune von Butrint liegt. Buthrothum, von den Griechen gegründet war bis in die osmanische Zeit ein wichtiger Hafen und Handelsplatz. 1386 wurde die Stadt an die venezianische Republik angeschlossen bis sie unter Ali Pascha von 1799 bis 1912 zum osmanischen Reich gehörte. Seit 1992 ist die Stätte UNESCO-Welterbe und eine der wichtigsten Ausgrabungsstätten Albaniens. Ein Reisebus nach dem anderen fährt vor und zum ersten Mal, seit wir uns in Albanien aufhalten, befinden wir uns mitten im Touristenrummel. Wir bekommen mit unseren Tickets einen Flyer in deutscher Sprache. Am Eingang steht, dass die Anlage ab 50.000 Besuchern geschlossen wird. Da können wir ja froh sein, dass wir in der der Nebensaison hier sind. Der Rundgang beginnt an einem römischen Wachturm, geht u.a. vorbei an einem Asklepius-Heiligtum, über eine Brücke
unter der sich Schildkröten sonnen,
hin zum Römischen Theater aus dem 2. Jh. n. Chr.
Wir sehen die Reste eines römischen Thermalbades, der Agora,Wohnhäusern, sowie eines heiligen Brunnens.
Wilde Alpenveilchen erblühen am Wegesrand.
In der Taufkapelle aus dem 6. Jh. hat man uns den überall abgebildeten Mosaikboden wieder mit Sand zugeschüttet.
Aus Zorn darüber versucht Bernd sich als Obelix, doch die Mauern bewegen sich keinen Millimeter.
Noch recht gut erhalten sind die Mauern der großen Basilika, eine Kultstätte aus der Frühchristlichen Periode.
Wo man gnädigerweise eine kleine Ecke vom Mosaikboden vom Sand befreit hat.
Wir passieren das Löwentor und steigen hoch zum Akropolis-Hügel.
Ein kleines Museum zeigt ein paar Fundstücke aus der antiken Stadt Butrint, außerdem haben wir von hier oben einen schönen Blick auf die Lagune, den Vivari-Kanal und die Festung Treport aus 1490.
Wir kommen mit Kanadiern ins Gespräch und jetzt wissen wir auch, warum es hier so voll ist. Butrint wird auch von den Kreuzfahrtschiffen aus besucht. Es wird höchste Zeit das wir hier rauskommen. Gerne hätten wir mit der abenteuerlichen Fähre übergesetzt. Doch ausgerechnet jetzt reißt ein Stahlseil, die Reparatur dauert, da offensichtlich Werkzeug und Material fehlt. Ein langer Fahrzeugstau hat sich gebildet und die ersten PKW´s wenden schon.
Hatten wir am Morgen noch alleine auf dem Parkplatz gestanden, sind wir nun regelrecht eingekeilt zwischen all den Reisebussen. Kinder versuchen uns Armbänder zu verkaufen und als wir die nicht wollen, stellen sie sich vor das WoMo um uns an der Weiterfahrt zu hindern. Endlich wieder auf der Straße machen wir auf der Anhöhe noch einmal einen Stopp um einen Blick auf die Burg von Ali Pascha zu werfen. Sie ist aus dem 19. Jh., steht auf einer kleinen Insel inmitten des Kanals. Von dort aus wurde die Straße von Korfu (im Bildhintergrund kann man Korfu erahnen) sowie der Butrint-Kanal überwacht.
Einen weiteren Tag gönnen wir uns auf dem Campingplatz. Der wird nun urplötzlich rappelvoll. WoMo´s aus allen möglichen Ländern fallen ein. Das ist für uns das Zeichen zum Aufbruch. Es soll ja noch viele schöne Plätze an der Küste geben.


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