Der Hotellier bestand darauf Bayer und kein Deutscher zu sein. Er war offensichtlich stolz darauf, alle 14 Tage Evo Morales, den Präsidenten von Bolivien und ab und an sogar Hugo Chavez aus Venezuela als Gäste in seinem Haus zu haben. Wir bekamen einige Informationen und ein wenig Einblick in das Leben der Reichen, die hier ein und ausgehen. Der Altiplano mit all seiner Armut ist in den Köpfen dieser Menschen sehr weit weg. Er brachte uns von unserem ursprünglichen Plan ab, die Inkaruine Incallajta zu besuchen, weil wir dort fast nichts mehr vorfinden würden. Stattdessen empfahl er uns, den berühmten Sonntagsmarkt von Quillacollo. Wir setzten uns in einen Micro und kamen auch gleich mitten im Gewühl an.
Wie wir es bereits aus Copacabana kannten, gab es heute Autosegnungen mit Weihwasser und viel Alkohol. Das ersetzt hier die Autoversicherung, der Pfarrer freut sich über die zusätzlichen Einnahmen und ist anschließend stockbetrunken.
Am nächsten Tag wollten wir 150 Kilometer auf der alten Hochlandstraße zur Inkaruine Incaracay fahren. Endlich aus der Stadt heraus und fast auf der Strecke war die Fahrt auch schon zu Ende, Paro und Straßensperre. Auf meine Frage wie lange die Sperre wohl anhalte bekam ich die Antwort: Bis eine Lösung gefunden ist, heute, morgen, nächste Woche. Alle Orte an der Gesamtstrecke seien an der Straßensperre beteiligt. Da wir nicht abwarten wollten bis eine Lösung für was auch immer gefunden ist, beschlossen wir, dass Cochabamba für uns erledigt ist und wir ins Tiefland weiter reisen. Wir haben schon so viele Inkastätten gesehen, dass es auf eine mehr oder weniger nicht ankommt und so langsam werden wir mürbe mit all den Paros.
Um keinen Wallfahrtsort zu schaffen, wurden die Leichen Che Guevara und einiger seiner Mitstreiter neben der Flugbahn von Vallegrande verscharrt. Sie galten 30 Jahre als verschollen. Im Juli 1997 grub das Militär sie wieder aus. Fidel Castro holte seinen alten Weggefährten Che nach Kuba und errichtete ihm am 08.Oktober 1997, 30 Jahre nach seinem Tod ein Mausoleum. In Vallegrande erinnern heute Gedenktafeln an die Originalstätte
um die herum ein Museum gebaut wurde, so ändern sich die Zeiten
Der Museumsführer versprach uns für den nächsten Tag einen ortskundigen Taxifahrer zu besorgen, der uns noch weiter in das abgelegene Hinterland nach La Higuera, dem Ort der Hinrichtung bringen sollte. Pünktlich um 9.00 Uhr war dieser da, er hatte vorsorglich einen Ersatzreifen auf dem Dach, bekreuzigte sich (für eine Versicherung war also auch gesorgt) und los konnte die Fahrt gehen. Noch einmal 60 Kilometer lagen vor uns. Die ausgewaschene Straße, mit ihren steilen Abhängen war nicht gerade beglückend. Zumal uns der Fahrer auch noch berichtete, das vor zwei Tagen hier ein Auto in den Abgrund gestürzt war. Na vielen Dank! Viele Autos begegneten uns in dieser Abgeschiedenheit nicht. Wieder wurden wir auf ein Bild am Berg aufmerksam gemacht, diesmal das Gesicht des Hundes. Es war wirklich gut als solches zu erkennen.
In ganz Bolivien fehlen Hinweisschilder, hier wo ein Verfahren mangels fehlender Straßen fast nicht möglich war, gab es diese Schilder zuhauf.
Der Taxifahrer bat uns, etwas persönliches erledigen zu dürfen. Dafür wäre ein kleiner Umweg von 5 Minuten erforderlich. Wir stimmten zu, allerdings mussten wir bald feststellen, dass 5 Minuten in Boliven relativ sind. Das was jetzt kam war nur noch ein Eselspfad, jedoch das Auto schaffte den Weg irgendwie. Er wollte zu einem Mann, der nicht da war und so brachte er uns zur Schule!!!!!!!
Aus dem Wohnraum des Lehrers räumte er ein paar Kleidungsstücke und Schuhe in seinen Kofferraum.
Neugierig geworden, baten wir das Klassenzimmer sehen zu dürfen. Da zur Zeit Ferien in Bolivien sind, war natürlich kein Schüler da. Wir waren ein wenig geschockt von der (vorsichtig ausgedrückten) Schlichtheit des Raumes. So hat es nicht einmal in Columbe, dem Heimatort unseres Patenkindes Sandra Mercedes ausgesehen. Wo denn der Lehrer sei, war meine nächste Frage? Etwas verlegen teilte uns der Taxifahrer mit, der Lehrer sei er. Wir erfuhren, dass er 8 Schüler hat und als Lehrer 2.000 Bolivianos (200,-- Euros) im Monat verdient. Um seine Familie zu ernähren, müsse er eben in den Ferien Taxi fahren. Es ist noch viel im Argen in Bolivien.
Wieder auf der Straße zurück zeigte er uns einen Hügel, den sie hier die Kappe des Che nennen. Irgendjemand hatte sogar den Stern in der Mitte angebracht.
Wir durchfuhren Pucara, den einzigen nennenswerten Ort an der Strecke. Auch hier wäre ein wenig Staatshilfe dringend von Nöten. Die Indigene Bevölkerung setzt große Hoffnungen in ihren Präsidenten Evo Morales, der am 6. Dezember mit Sicherheit wieder gewählt wird. Wir merken schon, dass wir uns hier in vergessenen Regionen befinden.
1967 wurden in der Gegend der Yuro-Schlucht die Guerillas von Militär und CIA in einen aussichtslosen Kampf verwickelt und festgenommen. Unseren ursprünglichen Plan, in die Schlucht einzuwandern mussten wir aufgeben, da es auf einmal heftig zu regnen begann und es steil und glitschig nach unten ging. Also machten wir unseren letzen Stopp an den Gedenksteinen erschossenen Guerillas, bevor wir dann den Weiler La Higuera erreichten.
Der nur noch aus 20 Familien bestehende Ort war vor über 40 Jahren der Schauplatz der Hinrichtung Che Guevaras und als Erstes sehen wir seine überlebensgroße Statue.
Die Mutter des Taxifahrers lebt noch hier und war Zeitzeugin, da sie damals 21 Jahre alt war. Sie zeigt uns abgegriffene Bilder aus dieser Zeit, auf denen einige Bewohner zusammen mit Che zu sehen sind. Wir erfahren aber auch, dass das Dorf sehr darunter gelitten hat, hier zwischen die Fronten geraten zu sein. Es hat viele Tote gegeben und von den ehemals 80 Familien sind viele geflohen. Wer zu den Guerillas gehalten hat, wurde vom Militär erschossen und wer zum Militär gehalten hat von den Guerillas. Eine junge, aber dennoch fast zahnlose Frau kommt mit dem Schlüssel zur ehemaligen Schule. Hier wurde der verletzte Che von den Militärs hingerichtet und heute ist es ein Museum. Gerade mal 4 – 5 Besucher kommen am Tag hierher, die meisten aus Argentinien. Nur am 8. Oktober, dem Todestag strömen die Touristen. Wir schauen uns eine ganze Weile hier um und machen uns dann ein wenig bedrückt wieder auf den Rückweg nach Vallegrande. Es regnet in Strömen und unser Taxifahrer bekreuzigt sich wieder. Er meint dann, jetzt wird es gefährlich, doch das wissen wir auch ohne ihn. Die Gegend hat es eben in sich, gefährlicher als zu Zeiten der Guerillas kann es auch nicht mehr werden.
Zurück in Vallegrande händigen wir dem Lehrer und Taxifahrer unsere restlichen Bestände an Malblöcken, Farbkästen, Buntstiften etc. aus. Wir wissen, dass die Sachen in seiner traurigen Schule an die richtigen Kinder kommen. Es war ein langer und für uns sehr denkwürdiger Tag. Wenn man einmal hinter die Kulissen schauen kann, sieht vieles eben nicht mehr so rosig aus wie es manchmal den verklärten Anschein hat. Am nächsten Tag fahren wir wieder nach Samaipata und ich kann noch am späten Nachmittag zum Zahnarzt gehen. Meine Wurzelentzündung hat sich verschlimmert, doch der Zahnarzt kann helfen und ich fühle mich gut aufgehoben. Irgendwie muss ich immer an die zahnlose junge Frau denken und bin wieder einmal froh und dankbar, ein anderes Leben führen zu dürfen.
Am nächsten Morgen besichtigen wir noch das kleine Museum im Ort, an dem das bemerkenswerteste der schöne Innenhof ist.
Zurück in Santa Cruz sind wir wieder in der Welt des Luxus angelangt. Es ist glühend heiß und wir genießen das Privileg von drei Schwimmbädern auf dem Gelände des Automobilclubs von Boliven ganz für uns alleine.
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