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Sonntag, 6. Mai 2012

Abenteuer Osten II – Litauen von Druskininkai bis zum Kurischen Haff -

Nun sind wir also in Litauen, dem ersten der drei Staaten die wir im allgemeinen unter dem Oberbegriff Baltikum kennen. Wobei es sich aber um vollkommen verschiedene - sowohl sprachlich als auch kulturelle - Länder handelt, deren Bevölkerung es nicht gerne hört als Balten bezeichnet zu werden. Litauen hat 3,2 Millionen Einwohner (mit derzeit abnehmender Tendenz), dass entspricht gerade einmal 52 Personen pro km². Landessprache ist Litauisch und die Währung der Litas (Lt.). Wir konnten uns im Land ganz gut auf englisch verständigen. Deutsch wird so gut wie keines mehr gesprochen, was wegen des geschichtlichen Hintergrundes ja auch verständlich ist. Allenfalls gibt es noch in den touristischen Hochburgen Übersetzungen auf den Speisekarten. Direkt nach der Grenze fällt uns auf, dass die meisten Häuser am Wegesrand aus Holz gebaut sind und es offensichtlich noch mehr Störche gibt als in Polen. Kaum ein Dorf ohne mindestens ein bewohntes Storchennest. Wir fahren noch 70 Kilometer und haben unser erstes Ziel, den 17.000 Einwohner zählenden Badeort Druskininkai erreicht. Obschon wir Hotel an Hotel sehen, wirkt das Zentrum wie ausgestorben. Wir suchen den Campingplatz und stehen vor verschlossener Schranke. Es ist jetzt Ende April und somit noch keine Saison. Allerdings ruft man uns aus einem Restaurant den Platzwart und tatsächlich kommt er (obschon es schon nach 21.00 Uhr ist) und öffnet für uns alleine den Platz einschließlich der Sanitärräume. Wir glauben das wir so etwas in Deutschland nicht erlebt hätten. In dieser frühen Jahreszeit ist Druskininkai leider keine Offenbarung. Die Promenade am Ufer der Nemunas (Memel) wirkt noch ungepflegt, die Trinkhalle ist geschlossen und die Hotels stehen leer. Jedoch werden wir dem Ort wohl nicht gerecht, denn so viele Hotels müssen ja mal Gäste haben und das sicher aus gutem Grund. Schnell sind wir mir der Stadt durch und außer der orthodoxen Kirche
und einer handvoll bemerkenswerter alter Holzhäuser bleibt wohl nicht viel von ihr in unserem Gedächtnis haften.
Da beeindruckt uns schon mehr das 2 Kilometer außerhalb liegende Forstmuseum Girios Aidas (Echo des Waldes), welches auf drei Stockwerken rings um eine riesige Eiche gebaut wurde und Ausstellungen rund um das Thema Wald hat. Allerdings sind alle Erläuterungen in Litauisch und so müssen wir uns vieles zusammenreimen.
Was für ein Erlebnis ist dagegen Vilnius (Wilna) Litauens Hauptstadt und mit 554.000 Einwohnern auch die größte des Landes! Nicht umsonst zählt die Altstadt zum UNECO Weltkulturgut. Die Besiedlungsgeschichte reicht bis ins 4. Jahrtausend vor Chr. zurück. Heute trägt sie den Beinamen Stadt der Kirchtürme. Wir machen uns an den Aufstieg zum Burgberg (Pilies kalnas) und besteigen den Gediminas-Turm (der als das Wahrzeichen der Stadt gilt) um uns einen ersten Überblick zu verschaffen. Hinunter fahren wir mit der Standseilbahn bis in den Hof des Arsenals, wo noch die Grundrisse von zwei alten Kirchen zu erkennen sind.
Dreh und Angelpunkt ist der Kathedralenplatz (Arkikatedros aikšte). Hier befand sich schon in vorchristlicher Zeit eine Kultstätte. Die Kathedrale selber ähnelt wegen ihrer Fassade einem griechischen Tempel. Der Glockenturm steht außerhalb und war in seiner ursprünglichen Fassung einmal Bestandteil der Stadtmauer.
Im Innenraum fällt besonders die prächtige Kapelle des heiligen Kazimieras (Kasimir) im Stil des frühen Barocks ins Auge. Der Heilige wird hier einer Legende nach mit drei Händen dargestellt.
Als wir den Kathedralenplatz noch einmal überqueren, sehen wir Leute die sich an einer bestimmten Stelle mehrmals drehen. Neugierig geworden entdecken wir eine Platte mit der Aufschrift Stebuklas (Wunder). Genau an dieser Stelle begann bzw. endete am 23.08.1989 die 595 km lange Menschenkette der litauischen Unabhängigkeitsbewegung.
Von der SkulpturengruppeLitauische Ballade“ haben wir noch einmal einen Blick zurück auf den Gediminas-Turm.
Das sogenannte „gotische Ensemble“, die Bernhardiner-Kirche und die St. Anna-Kirche zählen zu den vollkommensten gotischen Baudenkmälern der Stadt.
Zu den skurrilen Wohngegenden Vilnius zählt die Republik Užupis. Die Einwohner haben spezielle Pässe, einen Präsidenten, einen Bischof und einen Botschafter in Moskau. Sowie eine Armee bestehend aus 12 Personen.
Man betritt die Republik über eine Brücke, an deren Geländer Liebespaare Schlösser zum Zeichen ihrer Verbundenheit angebracht haben. Das 60 ha große , etwas marode Wohnviertel wird als Montmartre von Vilnius bezeichnet, da hier viele Künstler leben.
Der Engel mit der Posaune ist das Staatssymbol der Republik.
Die Verfassung ist an einer Wand verewigt und in mehre Sprachen übersetzt. Uns gefällt am Besten der Artikel: Eine Katze ist nicht verpflichtet ihren Herrn zu lieben, aber in schweren Momenten muss sie ihm beistehen.
Die Menschen in Vilnius nehmen das Leben wie es kommt und da wir seit Tagen schönes Sonnenwetter haben wird jede Gelegenheit genutzt seine Zeit im Freien zu verbringen. Sei es am Ufer der Flüsse (Vilna oder Neris)
in den Stadtgärten oder in der Fußgängerzone.
Da macht auch die Meerjungfrau keine Ausnahme.
Die hier gezeigten Bilder sind natürlich nur eine geringe Auswahl von dem was es in der Stadt alles zu sehen gibt. Im übrigen haben wir zwei Nächte unbehelligt mit dem WoMo in der Nähe des Messegeländes gegenüber von Einfamilienhäusern gestanden, da der Stadtcampingplatz noch geschlossen ist bzw. an neuer Stelle erst eingerichtet wird. Der Tagesparkplatz an der Burg war uns im Dunkeln zu einsam und auch die Polizei riet uns ab dort die Nacht zu verbringen. Jetzt gilt es den geografischen Mittelpunkt Europas aufzusuchen. Er befindet sich in der Nähe von Purnuškės, etwa 26 Kilometer nördlich von Vilnius.
Ja, wir waren auch da!
Nach soviel Stadt muss mal wieder etwas Landschaft her und auf der Strecke Richtung Ginučiai bringt uns der Ladakalnis (Eisberg), (eine Endmoräne aus der Eiszeit) mal wieder richtig ins Schwitzen. Er ist 175 m hoch und von seinem Gipfel können wir die Aussicht auf sage und schreibe 6 Seen genießen.
Die 200 Jahre alte Wassermühle in dem verschlafenen Ort Ginučiai ist erst in der Saison wieder von Innen zu besichtigen, wann immer das auch sein mag.
Dafür punktet das Dorf aber mit hübschen Holzhäusern. Doch wo sind bloß die Einwohner?
Durch ein Loch im Zaun gelangen wir auf das Gelände des Imkereimuseums in Stripeikiai, denn auch das ist geschlossen und folgerichtig sind wir vollkommen alleine auf riesigen Gelände mit Bachlauf, Brücken, Hütten und Figuren aus Holz unterwegs (abgesehen von den Bienen natürlich).
So sehen gottlob nicht alle Toiletten in Litauen aus.
Die Bärenfamilie hat es nur auf den Honig abgesehen.
Wir verbringen einen wunderbar sonnigen Nachmittag und eine sehr einsame Nacht auf dem Parkplatz Vaišniūnų Stovyklavietė am See im Nationalpark Aukštaitija und sind dann in Palūšė am Beginn des Wanderweg Botanikos Takas auf einmal wieder voll im Gewimmel. Eine Wandergruppe aus Slowenien kommt zu gleich mit uns dort an.
Palūšė selber hat eine interessante Holzkirche mit Aussicht auf den Lušiai See. Gerade ist die Messe aus und die Dame mit dem Schlüssel wartet geduldig mit dem Abschließen bis wir das Innere in aller Ruhe besichtigt haben.
In Kernavė stoßen wir wieder einmal auf ein UNESCO Weltkulturgut. Auf dem 196 ha großen Gelände standen 5 sogenannte Schüttburgen. Die Holzgebäude sind vergangen, zu sehen und über endlose Treppen zu besteigen sind nur noch die Hügel auf denen die Burgen standen. Einst die erste Hauptstadt Litauens wurde die Fürstenburg 1365 von den Litauern niedergebrannt, damit sie den Kreuzrittern nicht in die Hände fallen sollte. Heute hat der Ort gerade mal 300 Einwohner.
Ein besonderes Bonbon ist Trakai. Sinnbild des Kampfes der Litauer gegen die Kreuzritter und zweite Hauptstadt Litauens. 1377 wurde unter Großfürst Vytautas mit dem Bau der Inselburg begonnen, 1655 wurde diese von Kosaken zerstört und als Kerker benutzt. Erst 1952 wieder aufgebaut steht sie nun da in ihrer vollen Schönheit.
Alleine der Innenhof versetzt einen in die Welt der Sagen und Märchen.
Hübsch anzusehen die Trachten der Tataren.
Ob da wohl einer zu schnell gefahren ist?
Galvė-See mit dem neoklassizistischen Užutrakis-Palast.
Die Karäer, eine ethnische Minderheit in Litauen (von den wahrscheinlich 500 Menschen leben ca. 70 in Trakai) hatten eine besondere Art Häuser zu bauen: Mit dem Giebel zur Straße und drei Fenstern, eines für den Hausherren, eines für den Fürsten und eines für Gott.
Touristisch ist Trakai voll vermarktet und es gibt außer dem obligatorischen Bernsteinschmuck für jeden Geschmack ein Souvenir. Auch so eine Art Vergangenheitsbewältigung.
Das ethnografische Freilichtmuseum in Rumšiškės, auf einer Fläche von 176 ha und mit seinen 140 Originalgebäuden, nimmt für sich in Anspruch ganz Litauen zu vertreten. Wegen der frühen Jahreszeit waren die einzelnen Gebäude noch verschlossen, aber wir durften auf dem Gelände herum spazieren, mussten uns allerdings mit Blicken durch die Fenster zufrieden geben. Selbst eine originale Stadt des 17.-19. Jahrhunderts ist dort errichtet. Auf dem Marktplatz steht eine Skulptur des Hl. Florians, dem Schutzpatron der Feuerwehr.
Baumaterial ist fast immer Holz. Unterschiede sind oft die Kleinigkeiten wie zum Beispiel die farbigen Fensterläden
oder uns vollkommen neu:Gardinen aus Papier mit schönen Lochmustern.
Es befinden sich einige Teiche auf dem Gelände und Froschkonzerte gibt es als Zugabe.
Immer wieder sind wir von der Großzügigkeit der Bauerngehöfte fasziniert, wenn wir da an so manche armselige Kate in Deutschland denken.

Übernachten durften wir dann gleich auf dem Parkplatz der Anlage und zum ersten Mal in Litauen hatten wir Gesellschaft von zwei WoMo´s die aus Frankreich waren.Wir sind wieder reif für die Stadt und so zieht es uns nach Kaunas, die mit 348.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Litauens. Sie liegt am Zusammenfluss der Flüsse Neris und Nemunas (Memel). Die Kauno Pili (Burg) ist auch renoviert, aber mit Trakai nicht annähernd zu vergleichen.
Die St. Georg Kirche von 1471 soll ein typisches Beispiel für litauische Backsteingotik sein. Da sie bereits während des Krieges mit Napoleon und später während der Sowjetzeit als Lager diente, ist ihr Innenraum noch eine einzige Baustelle, obschon im Jahre 1993 an den Orden zurück gegeben.
Alles in allem haben wir den Eindruck, dass es noch eine Menge zu tun gibt in Sachen Altstadtsanierung. Allerdings rund um den Rotušės aikštė (Rathausplatz) stehen ein paar prächtige Gebäude, unter anderem das ehemalige Rathaus, im Volksmund weißer Schwan genannt. Heute dient es als Standesamt.
Das Perkūnas-Haus (benannt nach einem altlitauischen Gott) ist aus 16 verschiedenen Ziegeln erbaut und verfügt über einen besonders schönen gotischen Giebel.
Wir überschreiten den Nemunas-Fluss über die 256 m lange und 1948 von deutschen Kriegsgefangenen erbaute Vytauto-Brücke, um auf der anderen Seite mit der Funikulerius (Standseilbahn), die 1935 von Schweizer Ingenieuren konstruiert wurde, den Aleksotas-Hügel hinauf zu fahren.
Doch die Bahn fährt nur von 7.00 – 10.00 Uhr und erst wieder ab 13.00 Uhr. So machen wir uns eben über 262 Treppenstufen zu Fuß auf den Weg. Belohnt werden wir mit der Aussicht zurück auf die Brücke und die Altstadt.
Zum Ausgleich für die Strapazen gönnen wir uns dann mal ein typisch litauisches Essen: Čepelinai (Kartoffelklöße mit Speckfüllung).
Noch ein schneller Blick in die St.Peter- und Paul-Kathedrale und schon sind wir mit Kaunas durch.
Jetzt begeben wir uns in das schöne Nemunastal (Memeltal) mit seinen vielen geschichtsträchtigen Orten und Burgen. Alles anzusehen fehlt einfach die Zeit und so wollen wir uns zunächst auf Schloss Panemunė beim Dorf Vytenai beschränken. Zumal wir dort auch auf einen Übernachtungsplatz hoffen. Doch das Schloss ist geschlossen, da es gerade mit EU Geldern renoviert wird und der Parkplatz davor ist wenig einladend. So müssen wir uns mit einem Spaziergang um das Gelände bzw. die Teiche begnügen. Schade für uns, denn es ist jetzt schon zu erkennen wie hübsch das Ganze mal sein wird wenn es denn fertig ist.
So fahren wir noch ein ganzes Stück bis Šilutė (Heydekrug) und dann über mehrere Brücken auf die Halbinsel Rusnė (Ruß), im Delta der Nemunas, wo wir am sogenannten Hafen von Pakalnė übernachten, da der dort vorhandene Campingplatz noch geschlossen ist. Keine Menschenseele bekommen wir dort zu Gesicht.
Unser nächstes Ziel ist die Kurische Nehrung, jenes touristische Ziel Nummer eins in Litauen. Mal sehen ob wir da auch so alleine bleiben.


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