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Montag, 28. Mai 2012

Abenteuer Osten IV - Russische Grenze, Pskov, Welikiye Luki, Moskau -

Wenn alles läuft wie geplant, werden wir in den nächsten 170 Tagen die Länder Russland, Mongolei, Volksrepublik China, Kirgistan, Usbekistan, Turkmenistan, Iran, Armenien, Georgien bis hin zur Türkei besuchen.
So machen wir uns am frühen Morgen in Rīga auf, tangieren kurz noch Estland, um uns dann kurz vor der russichen Grenze in Misso zu sammeln und gemeinsam den Grenzübertritt zu meistern.
 Das wird dann ein einziges Geduldsspiel und das liegt beileibe nicht an den Russen. Wegen der Größe der Gruppe müssen wir uns Zweiteilen und dann dauert es 11 Stunden bis die letzten die Grenze geschafft haben. Irgendwie scheint es schwieriger zu sein aus der EU auszureisen als nach Russland hinein zu kommen. Stundenlang lassen uns die Esten warten bis wir endlich die Genehmigung bekommen zur Grenze zu fahren. Dafür sind die russischen Grenzbeamten ausgesprochen freundlich und überaus korrekt in der Abwicklung der Zollformalitäten. Sie werfen nur kurz einen Blick ins WoMo, haben sogar noch ein paar deutsche Worte für uns und wünschen uns eine schöne Reise. Doch es ist bereit stockdunkel, außerdem regnet es in Strömen, unbeleuchtete Autos parken am Straßenrand und Betrunkene torkeln herum. Volle Konzentration ist angesagt, bis wir reichlich genervt die letzten 70 Kilometer zu unserem Stellplatz in Pskovgeschafft haben. Um 1.10 Uhr um genau zu sein, können wir unser Bett nach unten klappen und endlich schlafen gehen. Das sind 5 Stunden später als die Ersten aus der Gruppe hier eingetrudelt sind. Nach extrem kurzer Nacht sind wir am Morgen aber schon wieder gut gelaunt und stellen mit reichlich Galgenhumor fest: Wenigstens haben wir ein Haus am See mit Aussicht ins Grüne.
 Direkt ist eine Stadtrundfahrt angesagt, außerdem hört es wenigstens auf zu regnen und wir können schon mal sehen was die Bauernmärkte so bieten.
Die Gegensätze könnten größer nicht sein zwischen den Marktfrauen und diesen jungen Damen hier. Die sich ohne Scheu fürs Foto in Positur stellen.
Pskov hat 202.000 Einwohner und ist ein bedeutender Industriestandort, aber auch eine der ältesten Städte Russlands. Hier der restaurierte Kreml (Festung), dessen Ursprünge aus dem 10. Jahrhundert datieren.
Zu dem Komplex gehört immer eine Kirche, in diesem Fall die Dreifaltigkeits-Kathedrale von 1699
mit reichlich verzierter Innenausstattung.
Bei diesen Toiletten ist aber nicht sehr viel Intimsphäre gewahrt.
In der großen Markthalle können wir sehen, dass wir in Russland auf unser gewohntes Essen wohl nicht verzichten müssen. Es gibt Fleisch
Obst und Gemüse
außerdem Leckereien für jeden Geschmack und Geldbeutel.
Natürlich werden wir auch noch zum Denkmal des Nationalhelden der Stadt Alexander Newski geführt, der 1242 eine entscheidende Schlacht gegen den Deutsch Orden gewann.
Alles in allem ist der erste Eindruck von Russland also durchaus positiv, zumal wir uns dann später in einem Supermarkt, der den Vergleich mit europäischen nicht zu scheuen braucht, mit allem Notwendigen für die nächsten Tage eindecken. Lediglich mit der kyrillischen Schrift auf den Artikeln tun wir uns noch etwas schwer und ab und an müssen wir raten, was wir da wohl eingekauft haben, aber wir haben ja Abenteuerurlaub gebucht. Noch am Nachmittag fahren wir weiter bis Velikiye Luki, wo wir einen Standplatz am dortigen Sportplatz haben. Obwohl die 98.000 Einwohner zählende Stadt im Zweiten Weltkrieg eine tragische Rolle spielte, werden wir äußerst freundlich empfangen, von Vertretern der Stadt begrüßt und mit Geschenken bedacht.
Nachdem dann auch noch eine Deutschlehrerin mit ein paar Schülern vorbei kommt, beschließen wir spontan lieber Kontaktpflege zu betreiben als noch einen Spaziergang durch den Ort zu machen. So erfahren wir schon jetzt so einiges über das Leben der Bevölkerung hier.
Am frühen Morgen werfen wir doch noch einen Blick auf die spärlichen Überreste bzw. die verbliebenen Wallanlagen der ehemaligen Burganlage. Außerdem sind schon einige Frühsportler hier, die uns dazu animieren auch ein wenig Sport zu treiben, als Ausgleich zu der vielen Sitzerei im WoMo.
Auf dem Weg nach Moskau sehen wir überall am Straßenrand Verkaufsstände mit Pelzwaren. Lebendig wären uns die Bären allerdings lieber gewesen.
Die Einfahrt in die 14 Millionen Stadt Moskau wird zum Geduldsspiel, denn der Verkehr ist heftig und die Autofahrer recht rücksichtslos und das ist noch gelinde ausgedrückt. Ziemlich zentral im Sokolniki Park gibt es einen Campingplatz. Der ist allerdings total überfüllt, weil zeitgleich eine Campingmesse in den angrenzenden Messehallen stattfindet und sich Wohnmobile aus den gesamten Oststaaten hier eingefunden haben. Was uns sogleich zu russisch/ukrainischen Kontakten verhilft. Wir bekommen Suppe und Wodka reichlich. Mangels Sprachkenntnissen wird eben gesungen, jeder in seiner Sprache und doch irgendwie gemeinsam.
Ehe Bernd sich versieht, schnappt sich ihn die Ukrainerin zu einem Tänzchen.
Da wir nicht nur zum Spaß hier sind, heißt es für die nächsten beiden Tage Schuhe schnüren, Stadtbesichtigung steht auf dem Programm. Der rote Platz (im altrussischen heißt rot auch schön), mit seinen 500 Metern Länge und 150 Metern Breite und somit einer der größten Plätze der Welt, lässt bei vielen ein bisschen Gänsehautgefühl aufkommen. Endlich sehen wir mit eigenen Augen, was wir sonst doch nur aus dem Fernsehen kennen. Das wohl auffälligste Gebäude ist die Basilius-Kathedrale aus dem 16. Jh., an deren Farbgestaltung man sich sicherlich erst gewöhnen muss, dennoch kommen wir nicht umhin sie ausgiebig zu bewundern. Die Legende sagt, dass Iwan der Schreckliche dem Baumeister die Augen ausstechen ließ, damit er kein ähnliches Bauwerk auf dieser Erde mehr errichten konnte. Harte Zeiten waren das!
Ein Ausschnitt des Roten Platzes mit einem Stückchen Kreml-Mauer (insgesamt ist die von italienischen Baumeistern errichtete Backsteinmauer 2.235 Meter lang) und das Historischen Museum.
Hinter uns der heiligste kommunistische Schrein, das Lenin-Mausoleum
und auf der gegenüber liegenden Seite Russlands größter Konsumtempel, das Kaufhaus GUM, erbaut 1893. Größer können Gegensätze wohl nicht mehr sein.
In den drei Arkadengängen mit seinen über 1.000 Läden erinnert nichts mehr an die Tristesse früherer Jahre mit den Zeiten der langen Schlangen für bestimmte Mangelwaren wie Toilettenpapier oder gar Schnürsenkel. Luxus Güter aus aller Welt warten hier auf ihr exklusives Käuferklientel.
Jetzt aber brennen wir darauf endlich in den Kreml hinein zu kommen. Lange Warteschlangen bilden sich vor dem Eingang. Wir haben einen festen Gruppeneinlassterim um 12.10 Uhr. Rucksäcke, größere Taschen und Weitwinkel müssen draußen bleiben. Nach erfolgter Sicherheitskontrolle dürfen wir endlich durch das Tor des Kutawja-Turmes hindurch, noch über eine Brücke zum Dreifaltigkeitsturm und wir befinden uns auf dem 28 ha großen Gelände, dass ungefähr die Form eines Dreiecks hat. Hier stehen Gebäude aus mehreren Epochen seiner 850 Jahre alten Geschichte und natürlich ist der gesamte Komplex UNESCO Welterbe.
Das Senat Gebäude und offizieller Sitz des Präsidenten (nur Amtssitz, nicht Wohnsitz). Hier haben Besucher keinen Zutritt.
Die 40 Tonnen schwere Zarenkanone aus der nie ein Schuss abgefeuert wurde.
Am Fuße des Glockenturms "Iwan der Große" liegt die mit 200 Tonnen wohl größte Glocke der Welt aus dem 18. Jahrhundert. Sie bekam noch in der Gussform wegen unsachgemäßer Behandlung Risse und später brach ein 11,5 Tonnen schweres Stück heraus. Der Philosoph Pjotr Tschaadajew sah in der Glocke die nicht läuten kann und der Kanone die nicht schießen kann, ein Sinnbild für die Absurdität und Sprachlosigkeit des früheren Russlands.
Auffallend sind die vielen Kathedralen und Kirchen auf dem Gelände. Zaren aber auch Patriarchen haben sich auf diese Weise hier verewigt. Die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale von 1475 mit ihren 5 Kuppeln ist die größte Kathedrale auf dem Kreml-Gelände und Krönungskirche alle Zaren. Außerdem wurden sämtliche Oberhäupter der russisch-orthodoxen Kirche bis zum 17. Jh. hier begraben.
Die Gewandniederlegungs-Kirche von 1451.
Aufgang zum Facettenpalast, wo bis 1990 noch Staatsbankette stattfanden.
Die Mariä-Verkündigungs-Kathedrale von 1489 mit ihren neun goldenen Kuppeln. Zunächst nur mit 3 Kuppeln versehen, wurden diese 1552 um sechs weitere aufgestockt und diente danach anderen Kathedralen als Vorbild.
Stundenlang könnten wir noch im Kreml herumlaufen um doch nicht alles gesehen zu haben. Wie das meistens so ist reichen die Führungen nur zu einem groben Überblick. Die Außenwelt hat uns wieder an den Terrassen im Alexander Garten.
Die unvermeidlichen Andenkenstände müssen unbedingt auch noch inspiziert werden und dabei können wir feststellen, dass die Matroschkas auch nicht mehr sind, was sie einmal waren. Friedlich vereint finden wir Ernesto (Che) Guevara, Angela Merkel, Harry Potter und Kitty.
Moskau selber hat noch so einiges an Monumentalbauten zu bieten wie z. B. die Lomonossow-Universität aus 1953, die zu den sogenannten sieben Stalin-Kathedralen zählt.
Springbrunnen auf dem riesigen Gelände des Siegesparkes. Eine der größten und teuersten Gedenkstätten des II. Weltkrieges.
Die schönste Klosteranlage der Stadt ist das Neujungfrauenkloster von 1524, umgeben von Park und See. Eine Besichtigung ist nicht möglich.
Bevor nun die nächste Kathedrale von Innen besucht werden kann, müssen die Damen den Kleidervorschriften genügen. Steht ihnen aber gar nicht schlecht.
Die Christ-Erlöser-Kathedrale wurde zur Feier des Sieges über Napoleon von Zar Alexander dem I. In Auftrag gegeben. 1931 ließ Stalin sie sprengen. Wozu allerdings mehrere Versuche erforderlich waren und was als schlechtes Omen für ihn gewertet wurde. Danach errichtete man auf ihrem Areal einen Schwimmpalast. Mit Spenden von 350 Millionen Dollar wurde die Kathedrale nach 1993 wieder errichtet und gilt vielen als Symbol zur Rückkehr der alten kulturellen Werte. Was im übrigen nicht bei allen Teilen der Bevölkerung unumstritten ist.
So könnten wir immer weiter machen, doch nun ist Schluss mit Moskaubildern. Allerdings nicht ohne noch etwas ganz Besonderes zu würdigen, die Moskauer Metro. Überall sonst auf der Welt ein banales Verkehrsmittel, in Moskau ist sie ein Kunstwerk, zumindest auf ihren Bahnhöfen und Bahnsteigen. Wo sonst auf der Welt gibt es solche Lampen im Untergrund?
Der Bahnsteig zum Theaterplatz.
Standleuchten, Mosaiken usw. und keine Graffiti, einfach wunderbar.














Wir wurden schon von einheimischen Parkbesuchern darauf aufmerksam gemacht, dass sich auf dem riesigen Gelände des Sokolniki-Parks Elche aufhalten. Was wir aber irgendwie nicht so recht glauben konnten. Wie sollen die denn hierher gekommen sein? Schließlich ist ja ringsherum Stadt. Bei einem morgendlichen Spaziergang entdecken wir tatsächlich einen ruhenden Elch im Unterholz, der uns seelenruhig bis auf 5 Meter heran kommen lässt. Das ist dann unser Moskau Erlebnis der anderen Art.
Bernd und ich haben aber noch ein weiteres außergewöhnliches Erlebnis. Über das Gespräch von den Elchen bis hin zum Interesse für die WoMo´s werden wir von Elena und Vitalij, zwei jungen Moskauern, zu sich nach Hause eingeladen. Zuerst sind wir etwas zögerlich, wollen sie uns doch mit dem Auto abholen, doch unsere Neugierde siegt. So begleiten wir die Beiden zu ihrer Eigentumswohnung in einem der sogenannten Stalinblocks. Das ist übrigens eine Besonderheit in Russland. Man wohnt selten zur Miete, fast immer gehören einem die Wohnungen. Beim Abendessen erfahren wir viel über das Leben des Moskauer Mittelstands. Es wird gutes Geld verdient, welches im teuren Moskau aber auch genauso schnell wieder ausgegeben ist, da man oft Eltern (wegen der geringen Renten) oder auch erwachsene Kinder unterstützen muss. Das Leben am Wochenende und jeder sich sonst bietenden Möglichkeit findet in dem 60 Kilometer entfernten Dom (Haus) statt. Meinung kann frei geäußert werden und Auslandsreisen werden auch gemacht. Das Gespräch wird in Englisch geführt, vielleicht haben wir auch das eine oder andere nicht richtig verstanden, aber der interessanter Abend und hat auf jeden Fall bewiesen: Nette Menschen gibt es überall in der Welt!
Wir haben Moskau bereits verlassen und sind auf dem Weg Richtung Sibirien, doch das ist noch weit, weit, weit!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Jutta und Bernd,
schön mit Euch die Reise noch einmal erleben zu dürfen. Ich hoffe, Ihr werdet genauso begeistert sein wie ich es gewesen bin.
Heide und Horst Dengel waren am letzten Wochenende auf der Durchreise nach Skandinavien hier. Ich habe ihnen Eure Blogger- Website gemailt.
Ich hoffe auf weitere interessante Berichte von Euch
Allzeit gute Fahrt
Rainer