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Freitag, 8. Juni 2012

Abenteuer Osten V – Über Suzdal, Nizhnij Nowgorod, Tscheboksary, Kasan, Izhewsk durch den Ural sowie Perm, Kungur und Jalym erreichen wir das Ende Europas -

Da uns Vitalij darauf hingewiesen hatte, dass die Autos in Moskau morgens schon um 7.30 Uhr Stoßstange an Stoßstange stehen, fahren Bernd und ich schon um 6.00 Uhr aus der Stadt heraus. Trotzdem herrscht reichlich Verkehr und dennoch ist es bei weitem nicht so dramatisch wie bei unserer Einfahrt. Auf der Gegenfahrbahn allerdings staut es sich mit zunehmender Tendenz bis weit in das Zentrum hinein. Ohne nennenswerten Halt fahren wir 160 Kilometer immer auf der M7 bis Wladimir, einer 316.000 Einwohner zählenden Industriestadt, die aber auch ein reiches Kulturerbe zu bieten hat und bereits 1108 von Großfürst Wladimir Monomach gegründet wurde. Überhaupt befinden wir uns jetzt auf dem sogenannten Goldenen Ring, einer Ansammlung mehrerer Städte rund um die Metropole, die eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung des alten Russlands zum „Heiligen Russland“ gespielt haben. Wir sind hin und her gerissen, ob wir Wladimir besichtigen sollen, entscheiden uns aber dagegen, da unser Tagesziel der abgeschiedene Stellplatz an einem ehemaligen Pionierlager beim Dorf Mentschakowo in greifbaren Nähe liegt und wir uns nach so viel Stadt und Autoverkehr nach Ruhe und Grün sehnen. Das bekommen wir dann auch und als Gratiszugabe Stechmücken in unendlicher Zahl. Wie war das mit dem Paradies und der Schlange? Egal, es ist trotzdem schön hier und gegen die Mücken haben wir entsprechende Kleidung und andere Schutzvorrichtungen (Foto Rita H.).
Tags darauf sind wir alle gut erholt und gerüstet für ein wahres Juwel, Suzdal mit seinen lediglich 12.000 Einwohnern ist praktisch ein einziges Museum, da es über 100 Bauwerke von historischer Bedeutung hat und somit selbstverständlich auf der Liste des UNESCO Welterbes steht. Bereits 990 erwähnt, mehrmals durch Überfälle von Polen und Mongolen zerstört und doch immer wieder aufgebaut, konzentrieren sich die Hauptsehenswürdigkeiten gerade mal auf eine Fläche von 8 km². Es ist also schnuckelig übersichtlich hier. Wir fangen mit dem Freilichtmuseum auf dem Demetriushügel an, da hier Holzhäuser, Mühlen und Kirchen der einfachen Leute stehen und wir diese von Innen und Außen besichtigen können.
Ein Gesangsduo in bäuerlicher Tracht - wobei besonders die Schuhe zu beachten sind - bringt uns der russischen Musik näher. Wir erstehen auch gleich eine DVD und können uns jetzt unterwegs musikalisch auf unsere Reise einstimmen.
Klöster und Kirchen prägen das Bild des Ortes und beileibe nicht alle können wir bei unserer Führung besichtigen, dass würde Tage dauern und unseren Zeitrahmen sprengen.
Ungeliebte Zarinnen oder Fürstinnen wurden gerne in solche Anlagen verbannt. Hoffentlich kommen unsere Männer nicht auch mal auf solche Gedanken!
Das Euthymios-Erlöser-Kloster, malerisch an einem Hang zum Fluss Kamenka gelegen, sieht mit seinen zwölf Türmen und der rundherum verlaufenden Ziegelmauer zunächst wie eine Festung aus.
Innerhalb der Mauern stehen die Christi-Verklärungs-Kathedrale von 1594, sowie die Nikolaus-Spitalkirche mit Gefängnistrakt, den bereits Katharina die II. erbauen ließ und der noch bis vor kurzem eine Haftanstalt für Jugendliche war.
Wir besichtigen lediglich die Kathedrale mit ihren gut erhaltenen und restaurierten Fresken, welche der ganze Stolz unserer Stadtführerin sind. Wegen der ausgezeichneten Akustik bekommen wir außerdem noch Kirchengesang von einem kleinen Männerchor geboten, der allerdings darauf bestanden hat nicht fotografiert zu werden. Vollkommen ergriffen lauschen wir dennoch dem wundervollen Gesang.
Das Ganze wird dann noch abgerundet durch ein Glockenspiel, alles ist also zeitlich perfekt abgestimmt.
Den Weg zum Kreml brauchen wir gar nicht erst zu suchen, immer dahin wo sich die Andenkenstände befinden und die Pferdekutschen auf Kundschaft warten.
Am Kreml selber sind die Erdwälle aus dem 11. Jh. noch so gerade erkennbar. Innerhalb ist besonders ein großer Saal mit Bildergalerie und sogenannten holländischen Kachelöfen erwähnenswert.
Die offizielle Führung ist zu Ende und uns bleibt noch Zeit ein wenig durch den Ort zu bummeln und die wirklich hübschen Wohnhäuser zu bewundern. Wobei wir uns gar nicht festlegen wollen, welches denn nun das Schönste ist. Wie wir nun wissen sollen die Verzierungen an Türen und Fenstern böse Geister abhalten.
Dann entdecken wir auch noch welcher Ort die Partnerstadt hier ist, ein wahrhaft würdiger Vertreter, wie wir meinen.
Spätnachmittags steht für ein paar Reiseteilnehmer schon der erste Werkstattbesuch auf dem Programm. Die russischen Rüttelstraßen haben bereits ihren Tribut gefordert.
280 Kilometer Fahrleistung immer noch auf dem M 7 und wir haben Nizhnij Nowgorod erreicht. Die 1,3 Millionen Einwohner Stadt wurde 1932 zu Ehren des hier geborenen Schriftstellers in Gorkij umbenannt und trägt heute wieder ihren ursprünglichen Namen. Hier mündet die Oka in die Wolga und hier werden die Limousinen Wolga und Tschaika gebaut. Ansonsten bietet sie uns eine ausgezeichnete Übernachtungsstation in ihrem Eislaufstation. Selbst so viele Wohnmobile und ihre Insassen wirken winzig in dieser riesigen Anlage. Ob wir wohl jemals wieder soviel Platz haben werden um uns alle nebeneinander aufzureihen?
Bevor wir losfahren bekommt Rita noch mehrere Geburtstagsständchen in Deutsch, Schweizerisch, Österreichisch und Holländisch, dass kann wohl so leicht nicht jeder von sich behaupten. Die M 7 hat uns wieder und fast 300 Kilometer Straße, teilweise zum Haare aus raufen liegen vor uns. Wir bekommen spezielle Vorführungen der russischer Fahrweise, besonders in den Baustellen auf der Strecke. Da wird rechts auf dem unbefestigtem Standstreifen überholt, sich dann an die Spitze des Staus gesetzt, um sich nun auf Crash in die Reihe zu drücken, was noch die relativ harmlose Variante ist. Man kann aber auch ebenso gut links bei Gegenverkehr überholen und wenn dann der Gegenverkehr keinen Platz macht, auf dem linken Standstreifen weiterfahren um sich dann an die Spitze zu setzen. Was wohl passiert wenn dann beide auf den Standstreifen ausweichen, wollen wir uns gar nicht erst ausmalen. Auf diese Weise kommen wir so gut wie nicht voran und als die größte Baustelle vorbei ist, sind wir mit den Nerven fast am Ende. Wissend das die Wolga mit uns fließt und doch nur an wenigen Stellen wirklich zu sehen ist, haben wir irgendwann dann doch Tscheboksary, die Hauptstadt der autonomen Republik Tschuwaschien (es gibt insgesamt 21 autonome Republiken in der Russischen Föderation) erreicht. Hier stehen wir einfach auf dem Parkplatz an der Staatsoper mit eigentlich schönen Blick auf einen künstlichen See und dem Regierungsgebäude auf der gegenüber liegenden Anhöhe. Was jedoch wegen des genau jetzt einsetzenden strömendem Regen leider nur schemenhaft zu erkennen ist. Einige wenige Teilnehmer nutzen die praktische Lage zu einem Opernbesuch. Der Rest verzieht sich wegen des Regens und der nervigen Fahrt lieber zur Erholung ins WoMo. Der Himmel am Morgen ist zwar noch bedeckt, aber immerhin bleibt es trocken und die Stadtführung kann beginnen. Viel zu sehen gibt es nicht in Tscheboksary, ein paar gesichtslose Zweckbauten die hauptsächlich Regierungsangestellte beherbergen. Ein paar Kirchen, wie es sie überall gibt und das unvermeidliche Denkmal des örtlichen Nationalhelden Vasilij Tschapajev.
Recht nett werden wir von einer in Landestracht gekleideten Frauengruppe mit Brot und Salz begrüßt und zu einem Reigen animiert. Außerdem fordern sie uns auf einen bestimmten Stein zu berühren, was Glück bringen soll und das kann man ja immer brauchen.
Direkt nach der Stadtbesichtigung wollen wir noch 170 Kilometer bis Kasan fahren. Es gibt verschieden Möglichkeiten für die Wegstrecke und wir entscheiden uns diesmal für die Route abseits der M7 um etwas mehr von Land und Leuten, insbesondere aber von der Wolga zu sehen. Zwar ist die Strecke gut befahrbar, es herrscht auch wenig Verkehr, jedoch die Wolga versteckt sich bis auf ganz wenige Ausnahmen im Hinterland. Lediglich auf dem Display unseres Navigationsgerätes können wir erkennen das sie in unserer Nähe ist. Die Einfahrt nach Kasan, der 1,1 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt der autonomen Republik Tatarstan, wird wieder einmal zu einem reinen Geduldsspiel. Dafür geht es aber wenigstens auf unserem Stellplatz im Messegelände der Stadt friedlich zu. Das Wetter bleibt schön und so kann am Abend dann auch noch Ritas Geburtstagfeier nachgeholt werden.
In Kasan leben Moslems, Tataren und russisch-orthodoxe Bewohner in friedlichem Miteinander. Insgesamt ist es sogar eine Mischung aus 70 verschiedene Nationen und Völkern. Was selbst am Kreml zu erkennen ist, denn dort gibt es neben der orthodoxen Kirche noch eine Moschee zu sehen, was für andere Gebiete nicht unbedingt selbstverständlich ist. Allerdings gewinnt der Islam zunehmend an Einfluss und mittlerweile gibt es mehr Moscheen als Kirchen im Stadtgebiet.
Die Kul-Scharif-Mosche wurde zum 1.000jährigen Stadtjubiläum im Jahre 2005 eröffnet.
Hier eine Innenansicht des prunkvollen Gebäudes.
In der Fußgängerzone bewegen sich Frauen in ihrer prächtigen traditioneller Kleidung genau so selbstverständlich
wie junge, moderne (was besonders für unsere Männer ein Augenschmaus ist)
allerdings auch die, an denen der Fortschritt und der Wohlstand offensichtlich vorbei gegangen ist.
Gegen Abend werden wir noch von der Geschäftsführerin der Messehallen begrüßt. Sie würde auch gerne einmal eine solche Reise unternehmen und als sie erfährt, dass wir drei männliche Einzelfahrer in der Gruppe haben meint sie lachend, sie könne bis morgen früh gepackt haben. Was sehr zu allgemeinen Erheiterung beiträgt. Es gibt noch ein Gebäude mit einer Gemäldeausstellung auf dem Gelände. Das ist zwar schon geschlossen, wird aber für uns noch einmal geöffnet.
Neben den Gemälden der verschiedensten Stilrichtungen befinden sich, aus welchem Grund auch immer, recht noble Stühle in den Räumen.
Was natürlich dazu verführt sich einmal hinein zu setzen und sich irgendwie königlich zu fühlen.
Heute haben wir eine 400 Kilometer lange Fahrstrecke vor uns und dementsprechend früh starten wir. Es ist immer noch die M 7 die uns weiter Richtung Osten führt. Irgendwie verpassen wir eine Umgehungsstraße, weil das Navigationsgerät die neue Strecke nicht kennt. Sollen wir wenden? Nein, wir nehmen die alte Straße, schließlich ist dort nicht so viel Verkehr und außerdem kommen wir so durch kleine Ortschaften und das hat ja auch seinen Reiz. Über 100 Kilometer geht es so recht gut voran, bis wir auf einmal ein Schild mit dem Hinweis Sackgasse in 20 Kilometern sehen. Das kann aber doch nicht für uns gelten oder? Zwar stehen immer mal wieder Schilder mit roter Aufschrift am Straßenrand, doch können wir weder die kyrillische Schrift lesen, geschweige denn übersetzen was die Worte wohl heißen. Langsam wird es uns mulmig, denn es begegnet uns überhaupt kein Auto mehr und das ist nun wirklich ungewöhnlich. So kommt es wie es kommen muss, unsere Straße endet an einer Gabelung und führt nur als Matschweg weiter. Wir brauchen eine ganze Zeit um uns zu orientieren wo wir uns überhaupt befinden, dann entscheiden wir uns zu dem in der Nähe liegenden Dorf Abdi zu fahren. Die Dorfstraße ist auch keine Offenbarung, Menschen sehen wir keine, geschweige denn Autos. Lediglich ein altes Feuerwehrauto am Straßenrand lässt vermuten, dass sich in dem Gebäude Personen aufhalten könnten. Bernd klemmt sich den Straßenatlas unter den Arm (gut das die Orte dort in kyrillisch geschrieben sind). Er versteht irgendwie (so hofft er wenigstens), dass wir den Matschweg nehmen müssen um nach Nikiforowo wieder die M 7 zu erreichen.
Wir fahren zurück, halten kurz an und dann gibt Bernd Gas. Schlingernd und schlitternd rutschen wir auf einer Strecke von 7 Kilometern durch den Matsch. Jetzt bloß nicht ans Stehen kommen! Ein kurzes Stück legen wir auf einem Feldweg, der parallel zum Weg verläuft und um einiges trockener ist zurück und dann ist es geschafft. Abwechselnd mal Erdstraße, mal asphaltiert haben wir 9 Kilometer später Nikiforowo und 36km weiter die M7 erreicht.
Wiederum einige Kilometer später machen wir noch einen Abstecher nach Jelabuga, wo wir zunächst in einem Straßenmarkt ein paar Lebensmittel einkaufen und uns dann ein hübsches Plätzchen auf einer Anhöhe mit Blick auf den Fluss Kama suchen, um uns von dem Fahrstress zu erholen. Da macht uns aber eine Schulklasse einen Strich durch die Rechnung, denn kaum haben sie uns entdeckt stürzen sie sich johlend auf uns und bombardieren uns mit allerlei Fragen in holprigem Englisch. Der Lehrer muss ein Machtwort sprechen, dann singen sie uns ein Lied und der Lehrer bittet um ein gemeinsames Foto. Würstchen und Brot wollen sie uns schenken und als wir das dankend ablehnen, müssen wir wenigstens 2 Flaschen Mineralwasser annehmen, sonst ist die ganze Gruppe beleidigt. Wir verteilen die Karten mit unserer Reiseroute und dem mehrsprachigen Text. Jetzt müssen wir die Karten auch noch unterschreiben und so halten wir die erste Autogrammstunde unseres Lebens ab.
Erst als Anca und Martin, zwei Mitglieder unserer Reisegruppe auftauchen und sich von den Kindern den Weg in die Altstadt zeigen lassen, kommen wir zu unserem Mittagessen und können den Blick auf den Zusammenfluss von Wolga und Kama genießen.
Natürlich stand an dieser strategisch wichtigen Stelle ein Kreml, doch heute erinnert nur noch ein Stück rekonstruierte Mauer und ein Turm daran.
Wir halten uns nur noch kurz im Stadtzentrum auf, denn immerhin haben wir noch 200 Kilometer zu fahren bis wir das heutige Etappenziel Izhewsk, die Hauptstadt der autonomen Republik Udmurtien erreicht haben. Der Weg zum Stellplatz an einem Wintersportgelände ist dann noch einmal eine harte Herausforderung für uns. Mitten durch das Zentrum und im Hauptberufsverkehr geht es nur schrittweise voran und die Udmurten kennen sogar noch eine Steigerung von Vehrkehrsrauditum: Überholen des stehenden Verkehrs auf den höher gelegenen, ausgewaschenen Bahngleisen und dabei die entgegen kommenden Straßenbahn zum Halten zwingen ist nur eine von den uns bisher unbekannten Varianten. Also wer noch keine grauen Haare hat, der kann sie hier bekommen. Für heute hatten wir Abenteuer genug und so strecken wir am Stellplatz nur noch alle Viere von uns und sehen der Stadtführung am nächsten Morgen entgegen. Es gibt auf den ersten Blick nicht sehr viel beeindruckendes hier, wenn man von der Michaelis Kathedrale einmal absieht.
Izhewsk lebt von der Rüstungsindustrie. So unbekannt der Ort vielleicht auch sein mag, einen Exportschlager hat er und den kennt selbst bei uns jedes Kind, die Kalaschnikow AK 47. Ihr Erfinder, Herr Kalaschnikow ist über 90 Jahre alt und lebt immer noch hier. So ist eine der Hauptehenswürdigkeiten der Stadt das Waffen- und Motorrad Museum.
Da haben die „Jungs“ was zum spielen.

Erstaunlicher Weise ist selbst in so einer Stadt Platz für ein bisschen Satire: Die Statue soll in etwas bedeuten, dass Waffenproduzenten Krokodile sind, die sich wenn sie ihre Ware verkauft haben zurück lehnen können keine Gedanken mehr daran verschwenden, was nun damit angerichtet wird.
Am Abend bekommen wir wieder einmal offiziellen Besuch. Der Geschäftsführer der
Wintersportanlage und ehemaliger Sportminister von Udmurtien bringt reichlich Wodka und einen Bildband der Stadt als Geschenk mit. Den Bildband bekommt dann Rita mit einer persönlichen Widmung als nachträgliches Geburtstagsgeschenk überreicht. Da sowieso ein Grillabend vorbereitet war, lässt er es sich nicht nehmen mit uns zu essen und es wird ein sehr feucht fröhlicher Abschlussabend.
Spontan beschließt ein kleiner Teil unserer Gruppe morgen einen Abstecher zum ehemaligen Gulag Perm 36 in das Programm einzuschieben. Ella und Sascha erklären sich daraufhin bereit uns zu begleiten. Gesagt, getan um 7.00 Uhr am Morgen starten wir mit 6 Wohnmobilen zunächst einmal Richtung Perm, der mit 1 Million Einwohner östlichsten Großstadt Europas und ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt Richtung Sibirien. Ella verabredet telefonisch einen Führungstermin für uns durch das Museum um 15.00 Uhr. Wegen einer Zeitverschiebung von 2 Stunden und den grauenhaften Straßenzuständen stellt sich das als total utopisch heraus.
Zweimal noch muss der Termin verschoben werden und gegen 16.30 sind 5 Fahrzeuge da. Die Führung ist für 17.00 Uhr anberaumt und genau mit Beginn der Führung trudelt der Letzte ein. Perm 36 war einer von mehr als Hundert Gulags in der Gegend um Perm. Hauptsächlich unter Stalin saßen hier die politischen Gefangenen ein. Durch einen kurzen Film mit original Bildern und sogar in deutscher Sprache werden wir auf das was wir sehen werden vorbereitet. Das Leben war, wie bei allen Konzentrationslagern, sehr hart. Die durchschnittliche Lebenserwartung der hier zu Zwangsarbeit verurteilten lag bei 7 Monaten. Sehr zu unserem Erstaunen erfahren wir, dass trotz gegenteiliger Behauptungen Perm 36 noch in der Gorbatschow Ära aktiv war.
Ein 25 Meter breiter mehrstufiger Zaunbereich verhinderte jegliches Entkommen.
Auf diesen Gestellen mussten je 4 Häftlinge schlafen, teilweise ohne Matratzen oder Decken und das bei Temperaturen bis zu 45° Minus im Winter.
Ursprünglich hatten wir vor hier zu übernachten um morgen dann wieder auf die Gruppe zu stoßen. Die Führerin bedankt sich bei uns dafür, dass wir als Deutsche Interesse an einem Teil der dunklen Geschichte Russlands genommen haben und bietet uns die Übernachtung auf dem Gelände des ehemaligen Gulags an. Doch irgendwie ist die Stimmung wegen des Gesehenen gedrückt und der Gedanke hier zu bleiben gefällt uns gar nicht mehr. Da es nur noch 130 Kilometer bis Kungur sind und es ja bis 22.00 Uhr hell bleibt, machen wir uns gegen 20.00 Uhr doch lieber noch auf den Weg zum Stellplatz an der Eishöhle. So kann Bernd am Morgen die Führung durch eine der weltweit größten Eishöhlen, bei der sich auf 5.6 km 58 Säle mit bizarren Felsformationen und 60 Seen aneinanderreihen, mitmachen. 2,5 Kilometer muss die Gruppe laufen um verschiedene Säle mit den unterschiedlichsten Eisformationen und einem See zu sehen.
Gegen Mittag heißt es schon wieder weiterfahren. Diesmal durch das Hinterland des Uralgebirges, welches hier jedoch eher einem Mittelgebirge gleicht. Nach 130 Kilometern haben wir das Dorf Jalym erreicht und da die als Stellplatz vorgesehene Wiese für die meisten Fahrzeuge nicht zu befahren ist, bleiben wir eben gleich an der sehr ruhigen Dorfstraße stehen. Gegen Abend werden wir von einer Gruppe Frauen abgeholt und zum Gemeindehaus begleitet.
Spätestens seit dem Songcontest kennt fast jeder die Omas aus Udmurtien. Die waren es jetzt zwar nicht gerade, aber wir bekommen auch Gesang und Tanz geboten und so nebenbei noch ein paar hausgemachte Spezialitäten zum Kosten und zum Tanzen und Singen werden wir auch noch aufgefordert.
Endlich einmal haben wir Einblick in ein typisches Dorfleben. Wie fast überall hier auf dem Lande sind nur noch die alten Leute übrig geblieben. Jeder versucht so gut er kann Haus und Garten in Schuss zu halten.
Halb verfallene Häuser wie dieses sehen wir viele im Ort. Die Besitzer wohnen nicht mehr hier, aber wenn sie alt werden kommen sie zurück und werden die Häuser renovieren, denn das Heimweh zum Ural lässt sie nicht los. So sagen es uns die, die hiergeblieben sind. Wenn da nicht mal der Wunsch der Vater des Gedanken ist!
Später dann stoßen wir mit Margit und Peter darauf an, die sie heute zum 3. Mal Großeltern geworden sind und es wird noch ein langer Abend am Lagerfeuer, den Stechmücken zum Trotz.
Deshalb noch etwas müde fahren wir am Morgen verspätet die 130 Kilometer bis Jekaterinburg, wo kurz vor der Stadt ein Obelisk die Trennlinie zwischen Europa und Asien markiert. Zwar stimmt das nicht so ganz, denn die Stelle wurde vom Bürgermeister der Stadt ausgewählt weil sie strategisch günstig liegt, aber wir nehmen sie mal als gegeben hin. Jeder von uns steht nun in einem anderen Erdteil.
Wir hätten es uns noch vor Jahren nicht träumen lassen, dass wir einmal auf dem Landweg von Deutschland aus durch den Ural bis Asien reisen werden und so erfüllt uns dieser Augenblick mit Stolz. Ob es wohl auf der asiatischen Seite so viel anders aussieht, dass werden wir nun in den nächsten Wochen erfahren.




1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Jutta, Bernd - endlich hab ich Zeit gefunden, den blog zu lesen - besonders animiert durch unseren skype-Kontakt :=)) noch von Kazan aus. Jutta - ich bewundere die Akrebie u. Diziplin, mit der du den blog führst - Kompliment, ehrlich !!!
Mir wär's in SA nicht möglich gewesen, selbst wenn der Laptop ok gewesen wäre.
Bleibt gesund und nehmt Rücksicht auf Burro !!! Bis bald mal wieder per skype. Ganz lieben Gruß von Tibur & Brigitta