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Sonntag, 20. September 2009

Riobamba und Sandra Mercedes

Welch ein Lichtblick. Wir nähern uns Riobamba, der Hauptstadt der Provinz Chimborazo und unserer Wohlfühlstadt in Ecuador. Riobamba hat 100.000 Einwohner und ist das agrarwirtschaftliche Zentrum der Region. Was uns bei den vorherigen zwei Besuchen nicht vergönnt war, sollte uns jetzt schon von weitem erfreuen. Ein traumhafter Ausblick auf den Chimborazo, der mit 6.310 m der höchste Berg Ecuadors ist und aufgrund der äquatorialen Wölbung der Erde der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernte Ort. Ursprünglich war es einmal der Altar, allerdings ist er heute mit 5.319 m wesentlich kleiner. Eine Legende weiß zu berichten warum es so ist: Tungurahua, Frau des Chimborazo, hatte eine Affäre mit Altar. Daraufhin schlug Chimborazo mit einem Hammer auf Altar ein, was diesen auf seine heutige Größe schrumpfen ließ. Heute noch streiten sich die Eheleute und bewerfen sich gegenseitig mit Blitzen. Frau Tungurahua ist derzeit besonders böse und spuckt Rauch und Asche. Sie straft damit nicht nur ihren Ehemann, sondern die ganze Region. Dafür hat Altar jetzt 9 Spitzen und wetteifert in seiner ganzen Pracht mit seinem Rivalen.
In Riobamba wurden wir wieder freundlich von José Ignacio im Hof des Hotel Whymper aufgenommen.
Extra für uns hat ein Dickblattgewächs eine wunderschöne Blüte hervorgebracht. Ein besonderer Vorteil dieses Platzes ist, dass alle Sehenswürdigkeiten und das Zentrum in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen sind.
Endlich kommt auch Burro zu seinem Recht. Der unbedingt fällige Öl- und Luftfilterwechsel kann vorgenommen werden. Ein zerbrochenes Außenspiegelglas wird ersetzt, die Blattfedern pulverisiert, so dass die Quietscherei bei jedem Schritt im Inneren des WoMo´s auch ein Ende hat.
Doch wir haben noch einen wichtigen Termin in unserem Programm. Wie ihr ja bereits wisst, besuchten wir vor einem halben Jahr unser Patenkind Sandra Mercedes und versprachen bald wieder zu kommen. Damals konnten wir unsere Deutsch-Dolmetscherin nicht mitnehmen. Diesmal waren wir besser organisiert und haben unseren Besuch in Deutschland angemeldet. Einen ganzen Koffer voll Geschenke für die Kinder hatten wir bereits aus der Heimat mitgebracht. Lebensmittel, Haushaltswaren, Bälle und ein besonderes Geschenk für Sandra Mercedes kauften wir am Vorabend unseres Besuches in Riobamba ein. Am Freitag dem 18.09.09 war dann der große Tag. Wir fuhren mit Miriam unserer Dolmetscherin und drei Mitarbeitern von Plan nach Columbe. Zuerst bis Guamote mit dem WoMo und dann weiter im Auto von Plan nach Columbe. Höher und höher schraubte sich das Auto auf einem Feldweg den Berg hinauf, bis wir endlich an dem Anwesen der Familie ankamen. Ach welch ein Unterschied zu unserem ersten Besuch. Damals hatte Sandra Mercedes sich aus Angst vor uns im Haus versteckt. Heute kam sie uns schon entgegen gelaufen und umarmte uns herzlich. Überhaupt ging die Begrüßung viel ungezwungener vor sich als vor einem halben Jahr.
Zu unserem Erstaunen waren aber sehr viel mehr Kinder da, als wir erwartet hatten. Wir erfuhren, dass die Lehrer streiken und jetzt die Nichten und Neffen der Familie, da sie ja keine Schule hatten, auch anwesend waren. Da musste erstmal eine Bonbontüte herhalten.
Kurz entschlossen disponierten wir um. Zuerst bekamen die drei noch im Hause lebenden Kinder ihre Geschenke, dann übergaben wir die Pakete mit Lebensmitteln der Mutter. Das, was wir für die Schule vorgesehen hatten, verteilten wir an die restlichen anwesenden Kinder. Die strahlenden Augen waren uns der schönste Dank. Als wir vor einem halben Jahr in Columbe waren, fragten wir Sandra Mercedes was denn wohl ihr größter Wunsch wäre. Sie erwiderte, sie träume von einem Fahrrad. Als dann das Fahrrad aus dem Kofferraum hervorkam war sie plötzlich stumm.
Ohne ein Wort nahm sie das Fahrrad und lief den Berg hinauf. Die kleineren Kinder liefen jubelnd mit.
Oben schwang sie sich auf das Fahrrad und fuhr, die Kleinen im Schlepptau wieder zu uns zurück. Sie umarmte uns immer noch wortlos.
Hier das Foto von der stolzen Besitzerin und dem Fahrrad. Der kleine Bruder setzt schon ein wenig besitzergreifend seinen Fuß auf das Pedal.
Wieder zurück im Haus zeigt uns Sandra Mercedes einen Block mit Bildern, die sie seit unserer Abwesenheit gemalt hat. Alle im Raum erkannten sofort um welche Personen es sich auf diesem Bild handelt und hatten daran ihre helle Freude. Vielleicht wird ja einmal eine Künstlerin aus ihr.
Danach lud der Vater uns zum Essen ein. Wieder hatten wir Glück und es gab Suppe, Kartoffeln und Huhn. Cuy (Meerschweinchen) stand nicht auf dem Speiseplan. Leider fanden nur die Plan Mitarbeiter, Miriam die Dolmetscherin (vorne links im Bild) Sandra Mercedes und wir Platz am Tisch. Der Rest der Familie musste im Stehen essen.
Wir bekamen jeder eine Tasche als Gastgeschenk überreicht und zum Abschiedsfoto versammelte sich die ganze Familie. Die beiden ganz alten Damen waren die Mütter von Holger dem Familienvater und Maria Juana der Familienmutter. Die beiden Großmütter sind unglaubliche 73 und 83 Jahre alt und haben nicht mal einen Ansatz von grauem Haar.
Wieder und wieder mussten wir Hände zum Abschied drücken. Die ganz Kleinen wollten uns überhaupt nicht gehen lassen und riefen: kommt bald zurück. Leider ist das wohl das letzte Mal, dass wir unser Patenkind sehen. Ein weiterer Besuch steht nach Abschluss unserer Südamerikareise nicht mehr an. Doch wir haben es einfach offen gelassen. Man weiß ja nie wie das Leben einem so mitspielt. Man soll nie nie sagen.
Zurück in Riobamba waren wir sehr traurig. Doch die Erinnerung an die vielen glücklichen Kinder hat uns darüber hinweggetröstet, dass Sandra Mercedes ab jetzt für uns wieder nur noch ein Brief und ein paar Bilder im Jahr sein wird. Doch jetzt kennen wir uns und das Briefeschreiben wird dadurch erheblich erleichtert. Nun sind wir frei von allen Terminen und können uns ganz unserer Reise widmen. Wir genießen noch ein paar schöne Tage in Riobamba. Zu gerne hätten wir La Basílica die einzige Rundkirche Ecuadors von Innen besichtigt. Doch leider war sie geschlossen.
Dafür aber lebt die Innenstadt. Samstag ist Markttag in Riobamba. Außer den eigentlichen Markthallen mit ihrem umwerfenden Angebot an Obst und Gemüse (wir haben mal wieder für Wochen eingekauft)
sind im Zentrum die fast alle Straßen mit Indígenas verstopft, die ihre landwirtschaftlichen Produkte verkaufen bzw. etwas kaufen wollen. Leider wollen sie nicht fotografiert werden und so muss Bernd heimlich Bilder machen.
Wir sehen auch viele arme Menschen wie diese Bettlerin, die nicht einmal Schuhe hat. Es ist zwar am Tag sehr schön sonnig und warm, jedoch jetzt ist Winter und die Nächte werden bitterkalt. Die Fischverkäuferin hat Mitleid mit ihr und schenkt der alten Frau einen Fisch.
Hier ein Blick auf unsere Straße, die an der Stierkampfarena endet.
Hier vergeht fast kein Tag ohne Prozession. Hier wird das Bildnis der Madre de Cisne durch die Straßen getragen.
Doch nicht so recht fromm und bedächtig, sondern mit bunt gekleideten Tänzern, Musik und Böllerschüssen.
Gleich entsteht ein Verkehrschaos, dass aber weder die Gläubigen noch die Autofahrer aus der Ruhe bringt. Mit dem Bild des Gemäldes der Stadtgeschichte verabschieden wir uns von „unserer“ Stadt.
Auch von José Ignacio (hier im Bild mit den Hunden die uns bewacht haben und seinem Schwager) müssen wir uns nun verabschieden. Er hat so viel für uns getan und war uns ein guter Freund. Gerne würde er noch Fahrten ins Umland für uns organisieren, doch der ecuadorianische Staat gibt uns keine Zeit mehr und wir brauchen noch ein paar Tage um bis zur Grenze zu kommen. Davor steht noch Cuenca auf dem Plan und diese Stadt ist auch eine Reise wert. Davon mehr im nächsten Blog.

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