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Mittwoch, 30. Januar 2013

Abenteuer Osten XVII – Turkmenistan -

Wie an den letzten Grenzen, so ist es auch diesmal: Umständlicher Formularkrieg, lange Wartezeiten, aufwendige Fahrzeugkontrollen und irgendwann ist es vorbei. So langsam nehmen wir das stoisch einfach hin. Es ist wohl der Gewöhnungseffekt und ändern können wir es ja sowieso nicht. Wenigstens sind wir diesmal im Hellen fertig und können uns jetzt voll und ganz auf das uns wohl unbekannteste Land dieser Reise, Turkmenistan konzentrieren. Ach ja, wir haben jetzt einen Reiseleiter weniger. Obschon Turkmenistan einst ein GUS Staat war, jedoch seit 1991 eine eigenständige Präsidialrepublik ist, wurde Artem als russischem Staatsbürger das Einreisevisum verweigert. So sitzt er bereits im Flugzeug und wir werden ihn erst im Iran wiedersehen. Turkmenistan hat 6,7 Millionen Einwohner, Landessprache ist Turkmenisch und die Währung heißt Manat. Kyrillisch als Schriftform und russisch als Sprache verschwinden allmählich aus dem öffentlichen Leben. Viel mehr über das Land wissen wir noch nicht, als wir die 160.000 Einwohner zählende Grenzstadt Dashogus und unseren Stellplatz am Hotel Uzboý erreichen.
Obschon Dashogus (Steinquelle) einst wegen eines Brunnens ein attraktiver Rastplatz an der Seidenstraße war, ist die Stadt heute für Reisende mehr oder weniger nur noch eine Durchgangsstation, deren Hauptsehenswürdigkeit der Bai-Basar ist. Bernd macht sich gleich auf die Suche nach Ersatzteilen, doch außer Öl und Schmierstoffen gibt es nichts was ihm weiter helfen könnte.
Melonen dafür um so reichlicher und das freundliche Lächeln der Verkäuferin gratis dazu.
Internet und Handys funktionieren nicht und als Bernd dann endlich einen Festnetzanschluss findet, von dem aus auch Gespräche ins Ausland geführt werden dürfen, erfährt er das unsere Ersatzteile nicht mehr rechtzeitig ankommen bis wir in Ashgabat sind. Da können wir jetzt nur noch auf Teheran hoffen. Unser staatlicher Begleiter Ermuhamed ist mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut und vermittelt einen Termin in einer Art Werkstatt. Dort gibt es zwar auch keine Ersatzteile, aber immerhin eine Grube und ein paar Männer die etwas von Autos verstehen und die, wie so oft in Ländern in denen es viele alte Autos und keine Ersatzteile gibt, wunderbar improvisieren können. Sie zerschneiden einen gebrauchten Reifenschlauch und legen ihn unter die Halterungen der Antriebswelle. Die hat jetzt kein Spiel mehr und kann für turkmenische Verhältnisse so noch lange halten. Für die Bremse haben sie auch keine Lösung, aber wer wird sich denn Gedanken machen wenn ein Auto nur auf drei Rädern bremst? Ist doch schon fast normal oder?
Wir tanken für traumhafte 17 Cent den Liter Diesel und dann geht es im lockeren Konvoi ( wir sind an ein bestimmtes Zeitfenster und eine vorgeschriebene Strecke gebunden, dürfen aber rasten und fotografieren wo wir wollen) Richtung Konya Urgench. Unterwegs finden wir ein schönes Holzstück, dass wunderbar für ein abendliches Feuer geeignet ist. Da wir nun die Letzten aus der Gruppe sind, bemerken wir auch unsere Schatten, die uns in gebührendem Abstand folgen, lediglich zu unserer Sicherheit versteht sich. Obschon wir nur 100 Kilometer zu fahren haben, kommen wir wegen den ausgesprochen schlechten Straßenverhältnissen erst kurz vor 18.00 Uhr und gerade noch rechtzeitig zur Führung auf unserem Stellplatz direkt am Konya-Urgench-Museum in der ehemaligen Dash-Moschee an.
Konya Urgench (oder Gurgandsch so der alte Name) als Seidenstraßenstadt hat eine sehr wechselvolle Geschichte und war einst mit seinen Moscheen, Koranschulen und Bibliotheken ein Zentrum der islamischen Welt. Immer wieder Ziel von feindlichen Angriffen und Eroberern erholte sie sich dennoch stets, bis im Jahre 1379 die Heere Tamerlans sie dem Erdboden gleich machte. Erst im 19. Jahrhundert wurde das neue, modernen Konya Urgench erbaut. Die historischen Bauwerke, die die Geschichte überstanden haben sind, obschon UNESCO-Welterbe und Pilgerstätten der Bevölkerung, in einem bedauernswerten Zustand. Dem Mausoleum Nadschmeddin Kubra von 1321werden heilende Kräfte zugeschrieben. Es ist die heiligste Stätte in Konya Urgench und sollte von Touristen nicht betreten werden.
Gegenüber liegt das eher schmucklose Mausoleum Sultan Ali aus dem 15. oder 16. Jahrhundert.
Mehrmals umschreiten die Pilgerinnen die Gebäude und berühren dabei die Wände. Das soll helfen bei Krankheiten und Kinderwunsch.
Es ist schon fast dunkel als wir mit der Führung wieder am Eingang ankommen. Wahrscheinlich deshalb erklärt unsere örtliche Reiseleiterin Natascha das kleine Konya Urgench Museum für uninteressant und wir sind für heute entlassen. So können wir noch den Sonnenuntergang über dem Komplex bewundern.
Obschon es am Tag sehr heiß war, kühlt es in der Nacht stark ab, typisches Wüstenklima eben. So heißt es am Morgen erst einmal warm anziehen, bevor wir die zwei Kilometer bis zum Parkplatz an der nächsten Ausgrabungsstätte von alt Gurgandsch fahren. Auf dem weitläufigen Gelände sind noch so einige Mausoleen erhalten. Das Turabeg-Khanum-Mausoleum aus dem 14. Jahrhundert war einst mit prächtigen Majolikas geschmückt. Die meisten davon sind abgefallen und von der ehemaligen Pracht sind nur noch Fragmente erhalten.
In der mit 365 Sternen und Ornamenten verzierten Kuppel, den 24 Bögen sowie im gesamten Innenraum nisten Tauben und tragen so zur weiteren Zerstörung bei.
Die Gläubigen lassen sich ganz offensichtlich durch den Verfall ihrer heiligen Stätten nicht beeindrucken.
Das Minarett Kutlug Timur aus dem 11. Jahrhundert ist mit seinen 62 Metern das höchste Mittelasiens. Die mit einer Laterne beleuchtete Spitze wies den Karawanen in der Dunkelheit den Weg. Mittlerweile ist die Spitze abgebrochen und auch das Minarett kann nicht mehr bestiegen werden.
Im gepflasterten Umfeld des Minaretts befindet sich ein heiliger Brunnen,
aus dem die Pilger Wasser schöpfen, das bei diversen Krankheiten helfen soll. Natascha rät uns dringend ab es den Gläubigen gleich zu tun. Hier war nämlich einst ein Friedhof und ihrer Meinung nach kann man daher eher vom Wasser krank denn gesund werden.
Wer durch dieses einfache Holzgestell hindurch geht, dem wird ein Kinderwunsch erfüllt. Darauf hoffen zu mindestens diese Frauen.
Überhaupt ist der Wunsch nach Kindern hier das zentrale Thema. Die vielen Wunschwiegen vor dem Mausoleum des Sultan Tekesch (Gökgumbas) zeugen davon.
Wir wandern mit den Pilgern auf den kleinen Hügel Kyrk Molla (40 Mullahs), der zu den bekanntesten Pilgerstätten Turkmenistans gehört. Hier soll einst die Zitadelle sowie eine berühmt Akademie gestanden haben. Heute ist der Platz übersäht von kleinen Steinpyramieden, Wunschbändern und Wiegen. Puppen, ganze Babyausrüstungen und sogar Zettel mit den Namen des ersehnten Kindes zeugen vom größten Wunsch der Gläubigen.
Im übrigen bewegen wir uns in der Wüste Karakum (schwarzer Sand), der größten Wüste Mittelasiens, die alleine 80% der Fläche Turkmenistans ausmacht. Durch einen künstlichen Bewässerungskanal, der mit 1.500 Kilometern als der längste der Welt gilt, gespeist mit dem Wasser des Amu Darja wurde es möglich gemacht enorme Mengen von Baumwolle im Wüstenland zu produzieren (dafür trocknet der Aral-See, einst der viertgrößte Binnensee der Welt so langsam aus, weil ihm das Wasser des Amu Darja fehlt). An unserer Strecke liegen die Ruinen von Suburny. Die Festung existierte bereits im 4. Jahrhundert vor Christus, fiel aber dann den Eroberungszügen Tamerlans zum Opfer. Viel mehr als die Reste der ehemals 15 Meter hohen Stadtmauer gibt es nicht zu sehen.
Die Straßenverhältnisse sind teilweise absolut grausig und so sind wir wirklich heilfroh als wir die 270 Kilometer Tagesstrecke hinter uns haben. Wir reihen uns einfach längs einer Asphaltstraße, mitten im Wüstenland in der Nähe der ehemaligen Siedlung Darwasa auf. Heute steht eine ganz besondere Attraktion auf dem Programm. Wir werden mit Allrad-UAS-Bussen 7 Kilometer durch Sanddünen gekarrt um zu einem Feuerkrater zu gelangen. Hier wurde einst nach Erdgas gebohrt. Dabei stürzte das Gelände ein und ein Krater von 200 Metern Durchmesser und 50 Metern Tiefe entstand. Weil die hier lebenden Nomaden immer wieder Verluste bei ihren Tieren hatten (sie fielen in den Krater oder starben an Gasvergiftung) soll angeblich ein Viehhirte einen brennenden Reifen in den Krater geworfen haben. Das Gas entzündete sich und nun brennt es schon seit 30 Jahren aus hunderten von Spalten. Ein Löschversuch wurde bis heute nicht unternommen. Wir werden eindringlich gewarnt nicht zu nahe an den Rand zu gehen, er ist porös und kann abbrechen. Wer da hinein fällt, dem ist nicht mehr zu helfen. Je dunkler es wird, desto größer das Schauspiel was sich uns nun bietet.
Um uns die Wartezeit auf die vollständige Dunkelheit zu versüßen, haben Ermuhamed und seine Mannschaft ein typisch turkmenisches Essen organisiert. Bei Schaffleischsuppe und Schaschlik-Spießen von enormen Ausmaßen lassen wir es uns gut gehen und genießen den Anblick und die Wärme des Feuers.
Wir können uns fast nicht los reißen von dem Flammenspiel. Doch der Tag war lang und irgendwann treibt uns die Müdigkeit dann doch zurück ins WoMo.
Am nächsten Morgen machen wir noch einen kurzen Fotostopp an einem weiteren Krater. Auch er ist durch eine Explosion bei der Bohrung entstanden. Allerdings ist er nun mit Wasser gefüllt und es tritt kein Gas aus.
Damit die Wüste die Straße nicht ganz verschüttet, werden Randbefestigungen aus einer Art Stroh angebracht. Für die Dromedare scheint das Material eine willkommene Abwechslung im ansonsten eher kargen Speiseplan zu sein.
Na dann, guten Appetit!
Was sich hier Straße nennt ist mehr eine Schlaglochpiste. Bernd kann aufpassen so viel er will, irgendwo auf den 260 Kilometern Tagesleistung rasseln wir doch in das eine oder andere Loch. Es grenzt schon an ein Wunder, das wir dennoch einigermaßen heil in Ashgabat, der 860.000 Einwohner zählenden Hauptstadt Turkmenistans ankommen. Schon bei der Stadteinfahrt kommen wir aus dem Staunen nicht heraus. Breite gepflegte Straßen, moderne aus weißem Marmor errichtete Häuser so weit wie wir sehen können. Unser Stellplatz für die nächsten Tage ist der großzügige Parkplatz des Lacin Hotels.
Die schöne und klimatisierte Hotelhalle dient mir als Zufluchtsstätte, während Bernd noch einmal einen leider erfolglosen Versuch in einer Werkstatt startet. Außer ein paar Kleinigkeiten, die wir der Rüttelpiste zu verdanken haben, ist wegen der immer noch fehlenden Ersatzteile keine weitere Reparatur möglich.
Ashgabat wurde 1948 bei einem Erdbeben der Stärke 9 fast vollständig zerstört. 110.000 Menschen fanden den Tod und die Stadt war 5 Jahre lang Sperrgebiet. Danach wurde sie „modern“ wieder aufgebaut und hat an historischen Gebäuden nichts mehr zu bieten. Es reicht also eine Rundfahrt mit dem Bus um einen Überblick über all die prächtigen Marmorbauten (Turkmenistan soll der weltgrößte Abnehmer von Carrara-Marmor sein), die vielen Denkmäler und üppigen Wasserspiele zu bekommen.
Das ganze Stadtbild ist geprägt von dem etwas gewöhnungsbedürftigen Personenkult um den 2006 verstorbenen Staatspräsidenten Saparmurad Nijasow, genannt Beyik Turkmenbashi ( Großer Vater aller Turkmenen). Kaum ein offizielles Gebäude das nicht mit einem Konterfei oder einer Statue von ihm geschmückt ist. Straßen und Plätze sind nach ihm benannt und auch der Monat Januar. So steht er selbst beim Denkmal für die Achal-Tekkiner Pferde, im Vordergrund.
Für eine Wüstenstadt gibt es verblüffend viele Parks und Grünflächen.
Sicht auf das Regierungsviertel. Leider nur von Ferne, da im Bezirk selber fotografieren verboten ist.
Auf der Spitze des 75 m hohen Bogens der Neutralität
dreht sich der Große Vater aller Turkmenen mit der Sonne um sich selbst.
Immer wieder auf neue Wasserspiele
und Marmorbauten. Ach wäre doch nur etwas von dem Geld in den Bau der Überlandstraßen geflossen!
Das Unabhängigkeitsdenkmal
und der dazugehörende Unabhängigkeitspark mit Standbildern turkmenischer Persönlichkeiten.
Besonders auffallend ist, dass wir nur ganz wenige Menschen auf den Gehwegen und besonders in den Parkanlagen sehen. Es sieht so aus als wären alle nur im Auto unterwegs. Selbst der Bazar mit seinem reichhaltigen Angebot wirkt auf den ersten Blick steril und hat so gar nichts vom orientalischen Flair, dass wir in den letzten Wochen erleben durften.
Lichterfahrt am Abend.

Ansonsten verbringen wir hier unsere Zeit mit Vorbereitungen für den Iran. Das heißt jeden Abend Party, denn alle mitgeführten Alkoholvorräte müssen jetzt „vernichtet“ werden. Es ist nicht gestattet irgendwelche Alkoholika in den Iran einzuführen, da dort ein striktes Alkoholverbot gilt und es soll ja nicht die Einreise der ganzen Gruppe gefährdet werden. Ich kaufe mir in der Hotelboutique zwei turkmenische Kleider, denn die gefallen mir ausgesprochen gut und sie sind außerdem ausgezeichnet geeignet um den iranischen Kleidervorschriften zu entsprechen. Nach 3 Nächten in Ashgabat werden wir am Morgen um 8.00 Uhr im strengen Konvoi aus der Stadt hinausbegleitet. Nach jeder Straßenkreuzung bzw. Ampel kontrollieren unsere Begleiter ob nicht einer aus der Gruppe verloren ging. Das ist ausgesprochen nervig, weil es wirklich erst dann weiter geht, wenn alle über die Ampel gekommen sind und das braucht schon mal mehr als eine Grünphase. So geht das an jeder Ampel und es dauert tatsächlich geschlagene zwei Stunden bis wir aus Ashgabat heraus sind und an einer Art Grenzvorposten ankommen. Nachdem dort schon mal umständlich alle Pässe kontrolliert werden, dürfen wir den Schlagbaum passieren und tatsächlich die restlichen 30 Kilometer bis zur Grenze alleine fahren. Wir winden uns im Niemandsland von 150 m bis zur Grenzstation in 1.700 m hoch und haben noch einmal eine wunderbare Aussicht auf die Landschaft. Das turkmenische Grenzprozedere geht wie bereits gewohnt langsam, aber immerhin schneller als bei der Einreise vonstatten. Jetzt heißt es für die Frauen Kopftücher anziehen. Mit freudiger Erwartung sehen wir unserer Einreise in den Iran entgegen.

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