Wir streifen nun das Land der Bara. Einem Volksstamm dessen ganzes Leben sich mehr oder weniger um Zebus dreht. Ein junger Mann hat nur dann eine Chance eine Frau zu bekommen, wenn er nachweisen kann, dass er eine Rinderherde gestohlen oder zu mindestens wegen Rinderdiebstahls im Gefängnis gesessen hat. Damit hat er Mut bewiesen, denn die Zebuherden werden natürlich von bewaffneten Hirten bewacht und notfalls mit dem Leben verteidigt. Je mehr Zebus jemand besitzt, desto größer ist sein Ansehen in der Baragesellschaft. Ein Zebu wird nur zu rituellen Zwecken geschlachtet und dient im allgemeinen nicht als Nahrung. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel und so besuchen wir heute den Zebu-Markt in Ilhosy. Eine Kleinstadt am Rande des Hochplateaus von Horombe in 700 Metern Höhe. Die Stadt ist recht unsauber und die Straßen sind teilweise in extrem schlechten Zustand. Besonders der Weg zum Zebu-Markt gestaltet sich als Hindernislauf und wir wollen lieber nicht darüber nachdenken, was sich da so alles unter unseren Füßen befindet. Wir sind fast zu spät denn die meisten Zebus haben schon ihren Besitzer gewechselt. Es ist Muße für ein Schwätzchen da und Hasina gibt den Leuten auch Auskunft über die Vazaha. So sind nicht wir es die hier schauen sondern es ist eher umgekehrt. Im Stadtzentrum gibt es viele Steinhäuser, was für die Bara ungewöhnlich ist, leben sie doch meistens in Holzhütten. 2 CV (Enten) und R 4 fahren noch sehr viele herum und wir bekommen nostalgische Gefühle. Eine Apotheke auf Madagassisch. Auffallend viele nett zurecht gemachte junge Frauen flanieren die Straßen entlang. Laut Hasina sind auf dem Zebu-Markt immer Männer mit Geld und Frau könnte ja zufällig einen potentiellen Ehemann kennen lernen. So ein Marktbesuch ist anstrengend! Wir erhalten noch den Ratschlag mit auf den Weg, die nun folgende Hochebene zügig zu durchfahren. Hier weiden die Bara ihre Herden und wir sollen nicht versehentlich in eine Auseinandersetzung zwischen Hirten und potentiellen Viehdieben kommen. Zwar sehen wir tatsächlich einige mit Speeren und Gewehren bewaffnete Bara, die aber alle weit genug von der Straße entfernt sind.Bald schon erkennen wir eine Felsformation, die das Tor des Südens oder auch Schicksalsberg genannt wird. Vor 150 Jahren haben sich hier, von Merina Truppen in die Enge gedrängte Betsileofamilien aus hohen Kasten lieber vom Gipfel des 1.811 Meter hohen Pic Ifanadiana in den Tod gestürzt, als in Gefangenschaft zu geraten. Der Berg ist mit einem Fady belegt und nur wenigen Personen ist es erlaubt den Berg zu besteigen oder gar den Ort zu betreten an denen die Gebeine liegen. 241 Kilometer haben wir zurück gelegt und kurz vor Ambalavao dürfen wir mit den WoMo´s in den Garten des Hotels La Varangue Betsileo mit umwerfender Aussicht auf die umliegende Berglandschaft. Erst im Jahre 2.000 wurde von Anwohnern und Bewohnern umliegender Ortschaften der Anja Park eröffnet. 145 Familien profitieren nun von dem zaghaften Pflänzchen Ökotourismus und haben damit eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen erreicht, denn neben dem Eintritt muss ein örtlicher Führer genommen werden, der dann auch immer noch einen Sucher mitnimmt und somit sind weitere Arbeitsplätze geschaffen. Mit unserem Führer begleiten uns seine Kinder ein Stück des Weges. Zuerst geht es durch Gärten und wir bekommen Nutz- und Heilpflanzen erklärt. Wieder mal hat keiner was zum Schreiben dabei und schon haben wir die Namen wieder vergessen. Gar nicht so lange müssen wir durch den dichten Wald streifen, da hat der Sucher schon Kattas entdeckt, wegen denen wir ja hier sind. 400 Exemplare sollen in diesem Gebiet frei leben. Immer von Neuem freuen wir uns über die possierlichen Tiere. Auf dem Rückweg werden wir von einem Einzelgänger verfolgt. Als wir uns zu einer Pause niederlassen kommt der Katta dreist heran und frisst uns die Bananenschalen aus der Hand. Zu seinem Leidwesen hatten wir die Bananen schon selber gegessen und auch keinen Nachschub mehr dabei. Die Stadt Ambalavao selber hat auch einiges zu bieten. Wir besuchten zunächst eine landesweit bekannte Papierfabrik und konnten hier die verschiedenen Phasen der aufwendige Herstellung beobachten. Im 12. Jahrhundert hatten eingewanderte Araber nach einer Möglichkeit zur Papierherstellung gesucht und den Avoha-Baum (eine Art Maulbeerbaum) entdeckt, dessen Fasern bis heute die Grundlage für das nur in Handarbeit hergestellte Papier bilden, welches ursprünglich für religiöse Zwecke verwendet wurde. An der Herstellungsmethode hat sich bis heute nichts geändert, lediglich die Verzierung mit Blüten ist dazu gekommen, da sich die Bandbreite der Produkte um Ziergegenstände erweitert hat. Die Blätter des Avoha-Baumes sind außerdem die Nahrung der Seidenraupen und so ist es nicht verwunderlich, dass es hier auch kleine Familienbetriebe gibt die Seidenstoffe herstellen. So einen Betrieb konnten wir als nächstes besichtigen. Unglaublich was für Arbeitsgänge erforderlich sind bis aus dem Kokon der Seidenraupe ein fertiges Produkt entsteht. Besonders fasziniert waren wir vom Spinnen der Fäden. Millimeter für Millimeter werden sie mit der Hand gedreht. Es dauert ewig bis da mal ein paar Meter Faden zusammenkommen. Die Weberin braucht für einen Schal 1 ½ Arbeitstage, dann wird er mit Naturfarben gefärbt und zum Trocknen aufgehängt. Unsere Koffer haben nach dem Besuch hier auf jeden Fall Übergewicht. Eine Stickschule stand auch noch auf dem Programm. Für die feinen Arbeiten, die auf der Vorder- und Rückseite gleich aussehen und unglaublich sorgfältig gearbeitet sind, brauchen die jungen Mädchen je nach Größe bis zu 5 Arbeitstage und bekommen dafür einen Hungerlohn. Dennoch sind sie froh überhaupt eine Arbeit und somit ein geregeltes Einkommen zu haben. Der Gerüstbau entspricht auch nicht gerade dem neusten Stand der Technik. Im ausgesprochen schmuddeligen Markt haben die Krabben- und Fischverkäuferinnen anscheinend nicht viele Kunden und legen sich lieber gleich zum Schlafen nieder. Wie alt mag die Ware bei diesem Andrang wohl sein? Am Abend bekommen wir noch etwas besonderes geboten. Vor Jahren wurden Menschen des Stammes der Antandroy aus dem Dornenland hier angesiedelt. Diese Gruppe hat eine eigene Kirchengemeinde und hält die Sitten und Gebräuche ihrer alten Heimat aufrecht. Sie waren stolz darauf uns ihre Tänze und Gesänge vorzuführen. Bilder von sich haben diese Leute ganz selten und so wurde ein Gruppenfoto gemacht. Ausdrucke davon wird Hasina bei seiner nächsten Tour als Geschenk mitbringen. Das war übrigens fast auf der ganzen Reise oft die Bedingung für die Fotoerlaubnis. Die Menschen wünschten sich das Bild als Belohnung. Reis ist das Hauptnahrungsmittel der Madagassen. So ist es nicht verwunderlich das es überall Reisfelder gibt und das sogar in Terrassenanbauweise. Kleine Tümpel voller blauer Seerosen erfreuten uns am Wegesrand. Da wir in diesem für uns namenlosen Ort mit dem WoMo fast stecken blieben, bot es sich doch gleich an auszusteigen
und sich in das Marktgetümmel zu stürzen.
Die Schulmädchen hatten ihren Spaß an uns und überall wurden wir mit einem freundlichen Bonjour Madame, bonjour Monsieur begrüßt, oder sie riefen Vazaha, Vazaha! Was im übrigen überhaupt nicht unfreundlich gemeint ist und uns auf der ganzen Reise überall mit einem strahlenden Lachen zugerufen wurde.
Dann mussten wir uns beeilen, wurden wir ja in Fianarantsoa (wo man Gutes lernt) der über 150.000 Einwohner großen Hauptstadt des Stammes der Betsileo am Bahnhof erwartet. Da heute kein Zug fährt, finden wir alle auf dem dortigen Parkplatz Platz und kommen so zu einem seltenen Foto unserer Fahrzeuge und der Crew (ein Teil der Reisemitglieder sind auch noch drauf).
Fianarantsoa wird auch die Stadt der tausend Kirchen genannt und eine davon steht gleich am Beginn unseres Rundganges durch die wirklich sehenswerte Altstadt.
Immer noch ist auch in den Städten nicht selbstverständlich fließendes Wasser in den Häusern zu haben und so ist ein öffentlicher Waschplatz schon Luxus.
Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Altstadt hinauf zum Ivonea Berg wurde vom World Monument Watch in die Weltliste der zu erhaltenden Städte aufgenommen. Da die Bewohner kein Geld haben um die schönen Häuser zu renovieren und nach heftigen Regenfällen auch das eine oder andere mal einstürzt wird mit einem Hilfsprogramm versucht das Schlimmste zu verhüten.
Wir werden von einer Horde Jugendlicher begleitet, die stolz drauf sind in der Schule Englisch gelernt zu haben und jetzt ihre Sprachkenntnisse an uns ausprobieren wollen. Sie geben uns ihre Adressen, damit wir ihnen Postkarten schicken sollen. Sie haben anscheinend schon eine Auswahl aus aller Welt zusammen.
Von oben haben wir noch einen schönen Blick auf die Stadt, dann kehren wir in einem kleinen Lokal zu Mittag ein. Wo es selbstgebackenes, aber leider süßes, Vollkornbrot gibt. Egal, immer noch besser als das ewige Weißbrot der letzten Zeit. Am Ende des Rundganges warten die Jugendlichen wieder auf uns, da sie uns nun Postkarten verkaufen wollen um Geld für Schulhefte zu haben. Teilweise sind diese sogar gestickt und wir wieder um ein paar Erinnerungsstücke reicher.
Nach der Stadtbesichtigung müssen wir ein gutes Stück weiter fahren, denn unser Tagesziel für heute ist noch nicht erreicht. Wir durchfahren auf enger, kurvenreicher Straße die wilde Schlucht des Namorona-Flusses.
Am Hotel Christo bei Ranomafana (heißes Wasser) ist für heute Ende und gleich können wir uns an den vielen Orchideen des mit Liebe angelegten Gartens erfreuen.
Der Bergregenwald des Parc National de Ranomafana ist das drittgrößte geschützte Gebiet von Madagaskar und beherbergt eine Unzahl von bemerkenswerten Tier- und Pflanzenarten. Die sind allerdings nicht sehr leicht zu finden, sondern wollen erwandert werden. Unsere Gruppe wird bereichert durch den Parkführer Dauphin und einem Gehilfen, der sich schon vorab ins Gelände macht um Lemuren aufzustöbern. Wie für einen Regenwald nicht anders zu erwarten, regnet es fast die ganze Zeit mal mehr und mal weniger.
Wir haben einen schwierigen Weg zu bewältigen und müssen auch schon mal querfeld durchs Gelände. Die Nässe macht es auch nicht einfacher und zu allem Übel fallen auch noch ständig Blutegel aus dem Blätterdschungel auf uns herab. Das führt am Anfang schon mal zu Gekreische, doch letztendlich gewöhnen wir uns daran. Gut das wir vorgewarnt waren und uns entsprechend gekleidet haben. Allerdings sind wir schon nach kurzer Zeit vollkommen verdreckt. Eine Pflanze mit unglaublich blauen Beeren zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Dauphins geschultes Auge entdeckt einen geradezu unheimlichen Bewohner des Waldes, den Blattschwanzgecko. Der ist so gut getarnt, dass wir ihn selbst auf seiner Hand kaum von den Blättern auf denen er liegt unterscheiden können. Die Augen sehen irgendwie reptilienhaft unfreundlich aus.
Dann ertönt das Rufen des Begleiters durch das Unterholz. Er hat eine Kolonie der großen Bambuslemuren aufgestöbert. Jetzt gibt es kein Halten mehr, egal wie schwierig das Gelände ist. Wir erhalten die Chance diese niedlichen Gesellen eine ganze Weile zu beobachten nur leider fotografieren lassen wollen sie sich partout nicht. Bis sich endlich einer erbarmt und ein wenig in unsere Nähe kommt. Doch jetzt fängt die Fotokamera an zu streiken, weil ihr der viele Regen und die Dunkelheit im dichten Blätterwald zu schaffen macht. Bernd setzt sich ganz verzweifelt in den Matsch um irgendwie zu seinem Foto zu kommen. Was dann doch noch mehr oder weniger gelingt.
Wieder ruft der Sucher und diesmal sind es Braunlemuren die in den hohen Ästen turnen.
Ein Erdchamäleon mit merkwürdigen Hörnern über den Augen rundet unser heutiges Tiererlebnis noch ab.
Wobei wir später im Ort Ranomafana noch einen Madagaskarfalken zu Gesicht bekommen.
Für den Spätnachmittag stand der Besuch des örtlichen Thermalbades auf dem Programm. Doch wir waren nass von Außen vom Regen und nass von Innen vom Schwitzen, so dass keiner mehr Lust verspürte auf noch mehr Wasser. Wir wollten uns einfach nur noch erholen von der wirklich anstrengenden Tour.
Die ganze Nacht regnete es und wir sahen mit sorgenvoller Miene auf den immer weicher werdenden Untergrund unseres Stellplatzes. Am Morgen ließ der Regen etwas nach und so fuhren wir mit dem Begleitbus und wiederum unseren Führern in einen anderen, etwas weiter gelegenen Teil des Nationalparkes. Die schmutzigen Klamotten von gestern zogen wir heute wieder an, die würden nach der Tour auch nicht anders aussehen. Uns stand der Sinn nach Baumfröschen und wir wurden reichlich belohnt.
Immer wieder neue Exemplare der Mantella-Vielfalt bekamen wir zu Gesicht. Die Führer hatten für alle Namen, doch sorry erfreut euch einfach an den Bildern.
Einen Giraffenhalskäfer bekommt man auch nicht alle Tage zu Gesicht.
Schmarotzende Orchideen in Hülle und Fülle.
Auch wenn es aussieht wie ein Blatt, hier handelt es sich um eine Grille.
Endlich war es uns vergönnt einen dieser wisseligen Geckos vor die Kamera zu bekommen.
Da machte es uns Frau Chamäleon schon leichter.
Der Herr hat sich für die Brautschau schön gemacht.
Wieder war am Nachmittag das Bedürfnis gering das Thermalbad aufzusuchen. Wir waren den Regen und die Kälte leid und hatten so viele Tiere gesehen, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit hier nicht mehr mehr werden würden. Also beschlossen wir Einheitlich noch heute zu unserem nächsten Ziel an der Ostküste des Indischen Ozeans und somit wieder in die Wärme zu fahren. Wie erwartet saßen wir erst mal im Untergrund fest und so bedurfte es den vereinten Kräften der gesamten Mannschaft um uns aus dem Schlamm zu schieben und wieder auf die Straße zu kommen.
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