Natürlich war es keine gute Idee so spät noch los zu fahren, denn die Strecke nach Manakara entpuppte sich als unerwartet schwierig. Ein Zyklon hatte einige Brücken zerstört und die Behelfsbrücken waren nicht wirklich für unsere Wohnmobile geeignet. So kamen wir in der Dunkelheit in Manakara an und hatten unterwegs den Begleitbus, sowie das Versorgungsmobil verloren. Da wir nicht so recht wussten wo wir übernachten würden, beschlossen wir erst einmal an der Uferpromenade stehen zu bleiben. Nach einer Weile bekamen wir einen Telefonanruf, dass alles im grünen Bereich ist und auch der Rest der Truppe das Stadtgebiet von Manakara erreicht hatte und in wenigen Minuten bei uns sein würde. Wie von uns vermutet konnte das große Fahrzeug die Brücken nicht passieren und so musste erst einmal mit Holzdielen unterbaut werden, was dann eine Menge Zeit in Anspruch genommen hat. Wir fuhren dann mit Vollmondbeleuchtung zu einem Platz am Hotel Antemoro mit direkter Aussicht auf den Indischen Ozean und hofften darauf, dass der Untergrund nicht allzu sandig ist. Was am nächsten Morgen dann auch erst richtig zu erkennen war.
Unser Koch Monsieur Edmond konnte die Langusten für unser Abendessen direkt neben dem Platz und frisch aus dem Meer erwerben.
Nachdem wir uns am Morgen ausgiebig dem Strandleben gewidmet hatten, brachen wir am Nachmittag zu Fuß zu einem Stadtrundgang auf und machten das erste Mal Bekanntschaft mit einem Brotfruchtbaum bzw. mit seinen Früchten. Erst viel später würden wir wissen was für leckere Gerichte man aus den gekochten Früchten zubereiten kann.
Uns lockte der Markt und es gab ausnahmsweise mal ein reichhaltiges Angebot.
Wir lernten die allgemein verbindliche Maßeinheit der Dosenmilch- und Tomatenmarkdosen kennen. Es gibt eben für alles eine Verwendung.
Sogar das Fleischangebot sah akzeptabel aus.
Müde vom Marsch probierten wir für den Rückweg zum Stellplatz den Pousse-Pousse (schieb-schieb) aus. Der Name kommt daher, dass in bergigen Regionen nicht nur gezogen, sondern eben auch geschoben wird.
Warum die Männer unbedingt ein Wettrennen mit uns veranstalten mussten, bei dieser Hitze und dem geringen Lohn von 1.000 Ariarys (0,35 Euro) war uns schleierhaft und irgendwie befürchteten wir schon in einer Kurve aus dem Gefährt zu fallen.
Wahrscheinlich wollten sie so schnell wie möglich die marode Brücke über den Canal des Pangalanes hinter sich bringen.
Lange wird die sicherlich nicht mehr halten. Hoffentlich wenigstens noch bis unsere WoMo´s wieder rüber sind!
Wir statteten der Grundschule einen Besuch ab und die mitgebrachten Hefte und Kugelschreiber waren sehr willkommen.
Natürlich stand dann noch eine Piroggenfahrt auf dem Canal des Pangalanes, der mit 650 Kilometern Länge eines der Hauptverkehrsadern zwischen den Dörfern der Ostküste ist, auf dem Programm. Die früher hier vorhandenen Fähren rotten vor sich hin und werden von den Fischern gerne als Anlegestellen genutzt. Hier wird uns auch noch frischer Fisch angeboten.
An den Steinen entwickeln sich Muscheln, die eine willkommene Abwechslung im Speiseplan bieten.
Wasserlilien
und ein sogenanntes Elefantenohr wachsen am Canal.
Gegen die starken Wellen des Indischen Ozeans bauten deutsche Architekten um 1920 diese Mauer um eine sicherere Hafeneinfahrt zu ermöglichen.
Aus dem frischen Fang wurden die Langusten und Fische für unser Mittagsmahl ausgesucht.
Einfache Fischerdörfer liegen am Ufer des Kanals und nach 1 ½ Stunden Fahrtzeit legten wir an einem dieser Dörfer an um unsere Mittagsrast zu halten.
Ein Kinderspiel.
Geflochtenes aller Art gab es auch im Angebot.
Nach dem ausgezeichneten Mittagessen waren wir erst mal platt und es wurde Zeit für ein kurzes Nickerchen.
Durch ein Korallenriff vor den starken Wellen und den ewig hungrigen Haien geschützt, konnten wir uns am Strand Trou du commissaire noch etwas im Meer erfrischen, bevor wir in dann nach einer Stunde Bootsfahrt wieder am Ausgangspunkt waren.
Für den heutigen Tag stand etwas ganz besonderes auf dem Programm. Eine Fahrt mit dem sogenannten „Zug des Lebens“ von Manaraka bis Fianarantsoa. Die 163 Kilometer lange Strecke durch den Dschungel dauert mindestens 10 Stunden, es können aber auch schon mal 17 oder mehr sein, je nach Streckenzustand und Witterungsverhältnissen. Also verabschiedeten wir uns von unseren WoMo´s, die von der Crew nach Sahambavy (wir würden den Zug schon hier und nicht erst in Fianarantsoa verlassen) gebracht wurden. 1936 wurde die Strecke fertiggestellt, mehr als Tausend Arbeiter haben dabei ihr Leben gelassen, es gibt 67 Brücken und 48 Tunnel und ansonsten Landschaft pur. Ausgestattet mit Wasser, Verpflegung und Kissen machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Die Diesellok aus 1930 war entgegen allen Befürchtungen schon fahrbereit, denn oft muss sie noch gewartet werden und dann fängt die Verspätung schon bei der Abfahrt an.
Es dauerte eine ganze Weile bis alle Passagiere und die vielen Waren im Zug verstaut waren und dann fast pünktlich um 7.15 Uhr ging die Reise los.
Wir fuhren erster Klasse um uns vor Enge, Gerüchen und Haustieren fernzuhalten. Einige der Sitze im Abteil waren durchgebrochen und die Polsterung verschlissen. Wir wollten gar nicht erst wissen wie es in der zweiten Klasse aussieht, die zudem bereits rappelvoll war. Jetzt schon waren wir Georg Sch. dankbar, dass er uns mit Kissen ausgestattet hat.
Noch während der Zug das Flugfeld von Manaraka überquerte (gut das sich der Flugverkehr in Grenzen hält), konnten wir einen doppelten Regenbogen entdecken.
Es dauerte gar nicht lange und der Urwald wuchs bis in die Zugfenster hinein. Wir fuhren mal 30 Kilometer schnell und mal hieß es „ Blumen pflücken während der Fahrt verboten“. Immer wieder gab es Haltepunkte, die nicht unbedingt offizielle Bahnhöfe sein mussten. Doch überall strömten die Anwohner herbei um etwas zu verkaufen. Mal geflochtene Matten
mal Körbeweise Brotbaumfrüchte.
Außerdem ist der Zug wohl auch ein gesellschaftliches Ereignis, denn auch wer nicht mitfahren oder etwas verkaufen wollte stand dabei und sei es nur um Bekannte zu treffen oder den Vazaha zu winken.
Nicht immer machte die Schienenverlegung einen vertrauenerweckenden Eindruck.
Gewürze waren auch im Angebot (Erinnern wir uns an das Milchdosenmaß?)
Die Landschaft war wunderschön, doch am meisten faszinierten uns immer wieder die Menschen.
Diesen jungen Mann in unserem Abteil ließ das alles recht kalt. Seine Mutter hingegen war sehr geschäftig und kaufte an jeder Haltestelle was auch immer im Angebot war. Hasina meinte, die Waren wären ausgesprochen billig und die Mutter wahrscheinlich eine Händlerin, die dann in der Stadt alles mit Gewinn verkaufen kann. Auf jeden Fall türmte es sich so langsam und auch die ersten zusammengebundenen lebenden Hühner und Enten reisten erster Klasse.
Die Zuschauer am Zugweg suchten sich die besten Plätze für ihr „Fernsehprogramm“.
Sonnenschutz war reichlich aufgelegt.
Ab und an gab es Stillstand wegen eines Erdrutsches und dann ging es eben so lange nicht mehr weiter bis die Gleise frei geschaufelt waren.
Sollte noch jemand Hunger haben, Bananen waren auch reichlich im Angebot und allerlei Sorten gebratenes Fleisch.
In Tolongoina erstürmten die Menschen regelrecht unser Abteil. Die Frage eines älteren Herren, ob sie wohl alle erster Klasse Tickets haben wurde mit einem Lachen beantwortet und der Zugschaffner zuckte auch nur noch mit den Schultern. Egal wo noch eine Lücke war, sie wurde gefüllt. Selbst auf die Plattform hätte keine Maus mehr gepasst. Also eines war sicher, näher würden wir der einheimischen Bevölkerung wohl nie mehr kommen.
Dann wurde es dunkel und Licht gab es natürlich auch nicht. Wir hatten wohlweislich Taschenlampen dabei. Die Einheimischen zündeten Kerzen an. Sehr romantisch in so einem überfüllten Zug!!!!
So langsam sehnten wir das Ende der Zugfahrt herbei. Doch wegen des allabendlichen Gewitters fuhr die Lok nur noch Schritt und rollte ab und an sogar zurück um dann wieder mit Anlauf einen neuen Versuch zu starten. In einem Bahnhof war endlos Stillstand und als es dann endlich weiter ging fuhren wir gerade mal einen Kilometer. Es erstand erhebliche Unruhe im Abteil und die Leute riefen etwas, was Hasina mit: Wir haben den Lehrer vergessen, übersetzte. Tatsächlich rollte der Zug nach einiger Zeit die gesamte Strecke zum Bahnhof zurück um den Lehrer einzuladen. So was erlebt man wahrscheinlich auch nur hier.
Nach 14 Stunden Fahrtzeit hatten wir endlich Sahambavy erreicht. Beim Aussteigen mussten wir über Menschen, Kisten und Säcke klettern. Wobei wahrscheinlich ein paar Stachelannonen vor der Zeit zu Muß „verarbeitet“ wurden.
Wenige Schritte vom Bahnhof entfernt, im Garten des Hotel du Lac warteten bereits unsere WoMo´s auf uns. Obwohl der Versorgungswagen wegen schlechter Wegstrecke nicht hierher fahren konnte, war in unserem WoMo der Tisch gedeckt und Nudelsalat sowie Entenbraten mundeten uns nach dem langen Tag ausgezeichnet.
Am Morgen erst konnten wir sehen, an welch wunderschönem Platz wir gelandet waren. Direkt am Lac du Sahambavy gelegen und mit viel Liebe angelegt, bot uns der Garten eine filmreife Kulisse für unser Frühstück. Dabei ließen wir den gestrigen Tag noch einmal Revue passieren. Einhellig waren wir der Meinung, dass die Fahrt mit dem Zug einfach toll war und wir Madagaskar pur erlebt haben. Ein wenig kürzer hätte die Fahrzeit allerdings sein können, denn spätestens nach Sonnenuntergang war von der Landschaft nichts mehr zu erkennen. Mir persönlich war es am Ende auch zu voll, etwas mehr Bewegungsfreiheit wäre mir lieber gewesen. Was aber beileibe nicht jedem in der Gruppe etwas ausgemacht hat. Hasina brachte es dann mal wieder auf den Punkt mit der Bemerkung: Wir haben die Fahrt zu unserem Vergnügen gemacht, die Waldbewohner haben keine andere Wahl.
Der Garten hatte uns einiges zu bieten und so erblickten wir ein Chamäleon,
Schmetterlinge,
Vanillepflanzen (obschon Madagaskar 60% des Weltverbrauches an Vanille erzeugt, haben wir bis jetzt noch keine großen Plantagen zu Gesicht bekommen)
und Strelitzien.
Da um das Hotel herum ein bekanntes Teeanbaugebiet liegt, versorgten wir uns noch mit Schwarztee (natürlich mit Vanillegeschmack) und dann mussten wir wieder weiter. Zuerst noch ein Stück Piste und schon waren wir wieder auf der N 7 unterwegs. In einem kleinen Ort sahen wir einen Schweinemarkt und so kam es zu einem außerplanmäßigen Stopp. Teilweise waren die Schweinchen gar nicht begeistert von ihrem ungewissen Schicksal und quiekten fürchterlich herum. Schnell waren wir umringt von Leuten und Hasina musste über uns Auskunft geben. Dafür durften wir aber auch fotografieren so viel wir wollten.
Außer Schweinen gab es auch noch das übliche Marktangebot.
Wir hielten an einer Schule an, wo zur Erinnerung an die Lehrer Stehlen aufgestellt sind. Da das für unsere Verhältnisse ja ungewöhnlich ist, wollten wir uns dies anschauen. Nun war aber gerade Pause und wir kamen nicht umhin den gesamten Schülern die WoMo´s von Innen zu zeigen. Zum Dank dafür wurde dann für uns die Nationalhymne gesungen.
An einem Aussichtspunkt hatten wir einen schönen Überblick über die Gegend mit ihren vielen von den Betsileos kunstvoll angelegten Reisfeldern.
Außerdem saß dort noch eine Großmutter, die mit einem winzigen Hammer Steine zu Schotter für den Straßenbau zerschlug und dabei noch ihre vielen Enkelkinder beaufsichtigte.
Ambositra (dort wo es viele Rinder gibt) ist bekannt für seine Holzeinlegearbeiten und das Verfahren wurde uns in einem Familienbetrieb veranschaulicht. Aus verschiedenfarbigen Holz werden mit einfachsten Werkzeugen kleinere und auf Bestellung auch größere Kunstwerke geschaffen.
26 Kilometer weiter sahen wir eine in 2.002 bei politischen Unruhen anlässlich einer Präsidentschaftswahl gesprengte Brücke. Die gegnerischen Parteien schoben sich hinterher gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Hoffentlich macht das in unserem Superwahljahr bei uns nicht Schule. Doch wenigstens ist zwischenzeitlich eine neue Brücke gebaut und so stand unserer Weiterfahrt nach Antsirabe, unserem heutigen Etappenziel nichts im Wege.
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